Europaratsversammlung debattiert über Ausweg aus Russland-Krise

Straßburg (APA/dpa) - Der Europarat sucht nach einem Ausweg aus seiner seit rund vier Jahren andauernden Krise mit Russland. Die Parlamentar...

Straßburg (APA/dpa) - Der Europarat sucht nach einem Ausweg aus seiner seit rund vier Jahren andauernden Krise mit Russland. Die Parlamentarische Versammlung der Staatenorganisation debattierte am Dienstag über neue interne Regeln, die darauf abzielen, Russlands Blockadehaltung gegenüber dem Europarat aufzuweichen. Den Abgeordneten lag dazu ein Vorschlag vor, der Sanktionen gegen nationale Delegationen erschweren würde.

Die Abstimmung war für den Nachmittag vorgesehen. Kritiker der möglichen Änderungen warfen Russland Erpressung vor.

Der Europarat mit Sitz in Straßburg hat zur Aufgabe, über die Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen, und agiert unabhängig von der EU. Die Parlamentarische Versammlung debattiert über gesellschaftliche Missstände, wählt die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und schickt regelmäßig Beobachtermissionen in die Mitgliedsländer.

Hintergrund des Streits mit Russland sind Strafen, die die Versammlung im Jahr 2014 gegen die 18 russischen Abgeordneten verhängt hatte - als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim. Die Russen verloren unter anderem Stimmrechte.

Aus Protest nimmt die russische Delegation nicht mehr an den vier jährlichen Sitzungen der Versammlung teil. Seit Sommer 2017 zahlt Moskau keine Beiträge mehr an den Europarat. Allein in diesem Jahr wären rund 33 Millionen Euro fällig gewesen, knapp ein Zehntel des Budgets der Institution. Zuletzt erwog die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko, öffentlich, aus dem Europarat auszutreten.

Russland will erreichen, dass nationale Delegationen generell keine Stimmrechte mehr verlieren können. Diese Option stand am Dienstag jedoch nicht zur Debatte. Der Vorschlag des zuständigen Ausschusses sieht lediglich vor, die Mehrheiten zu erhöhen, die für die Verhängung von solchen Sanktionen nötig wären. Außerdem könnten wichtige Wahlen - wie die der Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - von der Möglichkeit des Stimmrechtsentzugs ausgenommen werden. Ob die zur Debatte stehenden Änderungen der Geschäftsordnung Russland zufriedenstellen würden, ist fraglich.

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten in der Parlamentarischen Versammlung, der Deutsche Frank Schwabe, sagte, ganz klar sei Russland ein Land, das Regeln massiv missachte und Grenzen nicht akzeptiere. Mit den neuen Regeln mache die Versammlung aber keine Kompromisse in Fragen der Menschenrechte. „Wir passen unsere Regeln so an, dass sie auch für die Zukunft anwendbar sind.“

Scharfer Widerstand kam vor allem aus Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Der Vorsitzende der christdemokratischen Fraktion in der Versammlung, der Pole Aleksander Pociej, äußerte Bedenken: „Wir sind sehr besorgt darüber, dass dieser Kompromiss uns sichtlich unter finanziellem Druck unterbreitet wurde.“ Die ukrainische liberale Abgeordnete Jelena Sotnik sagte: „Geld oder Vertrauen, Geld oder Werte, Geld oder die Zukunft dieser Organisation - darüber werden Sie abstimmen.“

Erst vor wenigen Tagen hatten etwa 100 Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft Russland in einem offenen Brief Erpressung vorgeworfen. Falls der Europarat Russland nachgebe, mache er sich selbst unglaubwürdig, heißt es in dem Papier. „Ein schwacher Europarat wird seine Autorität und seinen Einfluss in den Teilen der Welt verlieren, in denen er am dringendsten gebraucht wird.“