Trump und der Prinz von Riad: Fall Khashoggi eine Belastungsprobe

Washington/Riad (APA/dpa) - In seiner Kritik an westlichen Verbündeten kennt US-Präsident Donald Trump oft kein Halten. Auf das Verschwinden...

Washington/Riad (APA/dpa) - In seiner Kritik an westlichen Verbündeten kennt US-Präsident Donald Trump oft kein Halten. Auf das Verschwinden des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi reagiert er dagegen zurückhaltend - denn Riad ist ein wichtiger Partner, der US-Waffen kauft und den Iran bekämpft.

Als US-Präsident Donald Trump im Mai 2017 zum Auftakt seiner allerersten Auslandsreise ausgerechnet Saudi-Arabien ansteuerte, zeigte er sich bester Laune. Zwei Tage lang bereitete ihm das Königshaus in Riad einen fulminanten Empfang, wie ihn nur wenige Gäste genießen dürfen. Unter traditionellem Trommeln von Beduinen reihte sich Trump mit hölzernen Bewegungen sogar in einen saudischen Schwerttanz ein, ein verkniffenes Lächeln im Gesicht.

Von dem saudischen Journalisten und Regimekritiker Khashoggi wird Trump damals noch nie gehört haben. Nun aber wirft dessen mysteriöses Verschwinden im saudischen Konsulat in Istanbul einen dunklen Schatten auf eine strategische Partnerschaft zwischen Washington und Riad, die selten so innig war wie derzeit. Der Fall findet in den USA große Aufmerksamkeit, weil Khashoggi dort im Exil lebte und auch Artikel in der „Washington Post“ veröffentlichte.

Die USA und Saudi-Arabien, das ist seit Trump wieder eine enge, geradezu herzliche Beziehung. Da ist nicht nur das Öl, das beide Länder verbindet. Der US-Präsident sieht im Königshaus auch einen Abnehmer von US-Waffen und verkündete in Riad Geschäfte im Wert von 110 Milliarden Dollar. Saudi-Arabien - mit einer teuren, aber vergleichsweise schwachen Armee ausgestattet - wiederum findet in Washington einen Garanten seiner Sicherheit. Die US-Armee unterstützt auch logistisch und geheimdienstlich die Angriffe, die die von Riad geführte internationale Koalition in Jemens Bürgerkrieg fliegt - ungeachtet der Tatsache, dass dabei regelmäßig Zivilisten sterben.

Vor allem aber halten Washington wie Riad den schiitischen Iran für den Erzfeind schlechthin. Während Trump das Atomabkommen mit Teheran aufkündigte und Sanktionen wieder in Kraft setzte, geht das saudische Königshaus mit aller Macht gegen iranischen Einfluss vor, wo immer sich dafür die Gelegenheit bietet. Mit grünem Licht aus Washington.

So ist auch zu erklären, warum der US-Präsident vergleichsweise milde auf das Verschwinden Khashoggis reagierte. In seiner Kritik an westlichen Verbündeten kennt Trump oft kein Halten; auch NATO-Partner Türkei bekam seinen Zorn wegen des dort inhaftierten US-Pastors Andrew Brunson schon zu spüren. Bei Khashoggi hielt sich Trump hingegen zurück, obwohl türkische Ermittler nach Berichten davon ausgehen, dass der Journalist im saudischen Konsulat getötet wurde.

Er sei besorgt und hoffe auf eine positive Lösung, sagte der US-Präsident. Ein paar „ziemlich böse Geschichten“ seien im Umlauf: „Ich mag das nicht.“ US-Außenminister Mike Pompeo rief die saudische Regierung zu einer gründlichen und transparenten Untersuchung auf.

Dennoch stellt das mysteriöse Verschwinden Khashoggis eine schwere Belastungsprobe für das Verhältnis zwischen Washington und Riad dar. In den USA wächst die Kritik am Königshaus, selbst unter denen, die ihm wohlgesonnen waren. So lobte etwa Thomas L. Friedman, Kolumnist der „New York Times“, lange die Reformen, die Kronprinz Mohammed bin Salman als starker Mann Saudi-Arabiens vorantreibt. Jetzt zeigt sich Friedman wegen Khashoggis Verschwinden „schockiert“.

Der Fall des Journalisten offenbart die dunkle Seite des saudischen Königreiches, das einen bisher kaum gekannten gesellschaftlichen Wandlungsprozess durchläuft. Mohammed bin Salman, kurz MbS genannt, gilt als treibende Kraft von Reformen, die die junge Generation des islamisch-konservativen Landes einfordert. Er will den Einfluss der Kleriker begrenzen, die vom Öl abhängige Wirtschaft umbauen und das Reich zumindest gesellschaftlich liberalisieren. So dürfen Frauen endlich Autofahren, auch Kinos und Konzerte sind nun gestattet.

Mit Kritikern aber kennt MbS keine Gnade, die Meinungsfreiheit wird rücksichtslos unterdrückt. Vor fast einem Jahr ließ er Dutzende Prinzen über Wochen im Hotel Ritz-Carlton in Riad festhalten. Offiziell wurde ihnen Korruption vorgeworfen. Tatsächlich sahen Beobachter darin eine Maßnahme des Kronprinzen, potenzielle Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Eine nächste Verhaftungswelle folgte im Mai. Kurz vor dem Ende des Frauenfahrverbots ließ Riad mehrere Menschenrechtsaktivisten unter dubiosen Vorwürfen festnehmen.

Unter dem wachsenden Druck auf Regimekritiker verließ auch Khashoggi das Land. Er sei eigentlich ein Unterstützer der Reformen, sagte er im Sommer der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt aber lebe er im Exil, „weil ich nicht im Gefängnis landen will“.

Ins Istanbuler Konsulat begab sich der 59-Jährige, um Papiere für seine geplante Hochzeit zu besorgen. Stundenlang wartete seine türkische Verlobte vor dem Gebäude. Vergeblich. Schließlich rief sie einen Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an, dessen Nummer ihr Khashoggi für den Notfall gegeben hatte, wie sie der „Washington Post“ berichtete.

Sie will sich noch nicht mit dem Tod ihres Verlobten abfinden. „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben“, sagte sie der Zeitung. „Ich muss wissen, was mit ihm passiert ist.“

(Alternative Schreibweise Dschamal Chaschukdschi)