Pariser Abgeordnete: Macron-Partei weiterhin „absolut offen“
Wien (APA) - Die französische Abgeordnete Liliana Tanguy tritt Vorwürfen von ehemaligen Parteimitgliedern entgegen, wonach die Macron-Partei...
Wien (APA) - Die französische Abgeordnete Liliana Tanguy tritt Vorwürfen von ehemaligen Parteimitgliedern entgegen, wonach die Macron-Partei La Republique en Marche (LREM) autoritär und hierarschisch strukturiert sei und das Bewegungselement verloren habe. Die Partei sei weiterhin „absolut offen“. Jeden Monat verzeichne man 150 Neueinschreibungen, sagte Tanguy im Gespräch mit der APA.
Die Bewegung sei zwar „von der Basis ausgegangen“, von Menschen, die nie Politik gemacht hätten, und die im späteren französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Möglichkeit gesehen hätten, „Dinge voranzutreiben“. Allerdings brauche man neben Akteuren der Zivilgesellschaft auch solche, die über „ein bisschen politische Erfahrung“ verfügten, räumte Tanguy ein. Diese Mischung sei erforderlich, um „sich in die Richtung der Werte zu bewegen, an die wir glauben“, sagte die Stellvertretende Vorsitzendes des Ausschusses für europäische Angelegenheiten in der französischen Nationalversammlung am Rande einer Westbalkan-Konferenz in Wien.
„Mittlerweile sind wir, glaube ich, über 400.000 Parteimitglieder.“ Es stimme zwar, dass ein Klick im Internet ausreiche und die Mitgliedschaft kostenlos sei. Auch seien nicht alle Mitglieder aktiv, sagte die Parlamentariern in Reaktion auf die von Medien diagnostizierte „Marschmüdigkeit“ der Parteimitglieder auf lokaler Ebene. Aber nicht-aktive Mitglieder, die lediglich ihre Sympathie mit der Partei zum Ausdruck brächten, gebe es in jeder Partei. Im Vorfeld von Wahlen würden sich diese Personen dann vielleicht doch engagieren.
Am Ende der fünfjährigen Legislaturperiode könnte es laut Tanguy aber schwierig werden, dieselbe Dynamik wie 2017 zu erzeugen - vor allem „wenn man daran denkt, dass wir tief gehende Reformen durchführen, die die Säulen des sozialen und wirtschaftlichen Systems berühren“. Das könne den einen oder anderen demobilisieren. In ihrem eigenen Wahlkreis in der Bretagne sei sie vor allem mit Widerstand gegen eine Steuererhöhung für Pensionisten konfrontiert. Es sei aber noch zu früh, über einen kommenden Wahlkampf nachzudenken, weil die „Früchte der Arbeit“ der Regierung noch nicht reif seien. „Die Franzosen müssen geduldig sein.“ In „fünfzehn, sechzehn Monaten“ könne man eine Situation nicht verändern, die „seit 30 Jahren“ dieselbe sei.
Im Juni diesen Jahres kritisierte der damalige Parlamentspräsident und nunmehrige Umweltminister Francois de Rugy die Überlastung der Parlamentarier. Das Tempo, das Macron und die Regierung von Premier Edouard Philippe vorgelegt hätten, sei zu hoch und führe die Parlamentarier an den Rand eines Burn-out. „Im Juni waren wir wirklich müde“, erinnert sich Tanguy. Das Arbeitspensum sei extrem hoch. „Das habe ich mir in diesem Ausmaß nicht erwartet.“ Manchmal gehe es vielleicht „zu schnell“ und zulasten des eigenen Wohlbefindens. Gleichzeitig müsse man schnell agieren, wenn man das umfangreiche Reformprogramm durchbringen wolle.
Tanguy kommt selbst aus der Privatwirtschaft, lange Jahre war sie für den Telekommunikationskonzern Orange tätig. Ihr politisches Engagement begann die im früheren Jugoslawien geborene Bretonin bei den Sozialisten, wo sie drei Jahre Mitglied war, bevor sie zur Macron-Bewegung überwechselte. An Macron habe sie überzeugt, dass er das Soziale mit dem Unternehmerfreundlichen kombiniere. Die Arbeitslosigkeit könne man nicht ausschließlich bekämpfen, indem man Jobs im öffentlichen Sektor schaffe, sondern nur indem man die Unternehmen fördere. Wenn sie das bei den Sozialisten angemerkt habe, sei sie sofort als „Rechte“ verunglimpft worden. Dabei „war ich immer links“. Ihre Überzeugungen würden sie aber nicht daran hindern, mit dem rechten Flügel zusammenzuarbeiten. Zentral sei die Einigkeit bei „progressiven Werten wie Freiheit, der Wert der Arbeit und das gegenseitige Wohlwollen“.
(Das Gespräch führte Roman Kaiser-Mühlecker/APA)