Armenien - Flüchtlingshilfe Schritt für Schritt

Eriwan (APA) - Aufgrund der schwierigen sozioökonomischen Lage Armeniens gestaltet sich die langfristige Inklusion von geflüchteten Menschen...

Eriwan (APA) - Aufgrund der schwierigen sozioökonomischen Lage Armeniens gestaltet sich die langfristige Inklusion von geflüchteten Menschen aus Syrien nicht einfach. Hilfe kommt dabei von Projekten wie IRIS (Increased Resilience of Syrian Armenians and Host Population). Bei der Umsetzung unterstützt die Austrian Development Agency (ADA) gemeinsam mit der EU das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK).

„Unser Zuhause ist jetzt hier, nicht mehr in Syrien. Sogar wenn wieder Friede herrscht, würde ich nicht zurückgehen“, sagt Hakob Najaryan, der mit seiner Familie vor vier Jahren aus Aleppo in die armenische Hauptstadt Eriwan geflohen ist. Der Schmied steht in der Werkstatt seines Betriebes, den er gemeinsam mit einem Partner aufgebaut hat, und demonstriert die Funktionsweise einer der Maschinen. „Wir stellen Metallformen her, in denen Plastikteile gegossen werden“, erklärt der 64-Jährige. Ermöglicht wurde die Anschaffung der Geräte und Räumlichkeiten zum Teil durch von der ADA mitfinanzierte Projekte. „Das hilft uns langsam, Schritt für Schritt. Wir haben uns mit einem Businessplan beworben und wurden ausgewählt“, erklärt Najaryan.

In Aleppo besaß Najaryan eine Firma für Motorenteile, die er 35 Jahre lang geführt hat. Wie viel jetzt noch davon übrig ist, weiß er nicht. „Das Schwierigste war, dass wir alles in Syrien zurücklassen mussten, sogar die Kleidung. Aber die Situation war lebensgefährlich für mich und meine Familie.“ Armenien hingegen bezeichnet er als Mutterland. Najaryans Familie war aufgrund der Verfolgungen und des Genozids im Osmanischen Reich in den Jahren 1915 bis 1918 von Armenien nach Syrien emigriert. Dort leben geschätzt insgesamt 100.000 Armenier.

„Die Regierung ist den Flüchtlingen gegenüber offen eingestellt“, schildert Katarina Vardanyan vom Armenischen Roten Kreuz. „Aber für jedes Land ist das eine große Herausforderung, ganz besonders für ein kleines.“ Seit 2011 sind nach Angaben des ÖRK und des armenischen Ministeriums der Diaspora insgesamt 22.000 Menschen mit armenischen Wurzeln aus Syrien in den kleinen Südkaukasusstaat geflohen. Damit nahm Armenien die drittgrößte Anzahl an Geflüchteten pro Kopf in Europa auf. „Es gibt hier keine Partei, die gegen syrisch-armenische Flüchtlinge ist. Von der Regierung bekommen sie zwar nicht direkt Geld, aber viele Begünstigungen, zum Beispiel beim Wohnen und beim Zugang zu Bildung. Allerdings haben wir immer noch keine Integrationsstrategie“, erklärt Vardanyan.

Dass syrische Flüchtlinge in Armenien positiver als in anderen europäischen Ländern aufgenommen werden, liegt in ihrer Herkunft begründet. Denn ihre Vorfahren lebten bis vor einigen Jahrzehnten selbst noch auf armenischem Gebiet und sind Teil der Diaspora. Mit rund 12.000 bis 14.000 syrisch-armenischen Flüchtlingen bildet diese Gruppe derzeit den höchsten Flüchtlingsanteil in Armenien. Die meisten der Geflüchteten wollen auch im Land bleiben, so der Eindruck der Rotkreuz-Mitarbeiterin. Geflüchtete anderer Herkunft gibt es praktisch kaum: die armenischen Migrationsbehörden verfügen nach eigenen Angaben über keine definitive Zahl.

Nur rund 1.000 der syrischen Armenier suchten offiziell um Asyl an. Die anderen beantragten entweder eine Aufenthaltsgenehmigung oder die armenische Staatsbürgerschaft. Vardanyan meint dazu: „Viele Flüchtlinge wollen die Staatsbürgerschaft aber gar nicht, weil sie dann die Unterstützung verlieren. Falls die Menschen weiterziehen und die Staatsbürgerschaft haben, werden sie zurückgeschickt, weil Armenien ein sicheres Land ist.“ 19.000 aus Syrien Geflüchtete haben seit Beginn des Syrien-Krieges die Staatsbürgerschaft erhalten. Das heiße jedoch nicht, dass sie sich alle im Land befinden, sie seien zum Beispiel nach Europa weitergereist. Es gebe zudem viele Männer, die jegliche Aufenthaltserlaubnis verweigern würden, da sie aufgrund der Konfliktsituationen, in denen sich Armenien befindet, sonst zum Militär eingezogen würden.

De jure handelt es sich bei der Mehrheit der syrischen Armenier also nicht um Flüchtlinge, der Staat stuft sie aber so ein. Mit den Dokumenten, die sie als Flüchtlinge bzw. in einer „Flüchtlings-ähnlichen Lage“ befindlich ausweisen, haben die syrischen Armenier nahezu die gleichen Rechte wie Staatsbürger.

Auch die Bevölkerung steht den Geflüchteten großteils positiv gegenüber, meint Vardanyan. Viele Armenier beherbergen selbst Verwandte, die zuvor lange in Syrien gelebt haben, sich dort ihre Existenz aufgebaut hatten. Bedenken seitens der Bevölkerung gebe es freilich aufgrund der eigenen - oft schwierigen - ökonomischen Situation. „30 Prozent leben in extremer Armut, die Arbeitslosenquote ist mit 17 Prozent ziemlich hoch. Diese Menschen sind dagegen, sie fühlen sich benachteiligt. Daher ist es wichtig, dass wir sie in die Projekte miteinbeziehen.“

Rund 10.000 syrische Armenier erhalten durch das Projekt IRIS Zugang zu gesundheitlicher und sozialer Unterstützung. Dazu gehören etwa psychologische Hilfe sowie Unterstützung zur Verbesserung ihrer Wohnsituation. Mit Aktivitäten zur Förderung der Integration, die in der Schule sowie in der Freizeit stattfinden, sollen 3.000 Kinder und Jugendliche erreicht werden. Rund 200 Geschäftsgründern wird mit Business-Trainings und notwendigen Geräten oder Maschinen geholfen. Besonders häufig sind syrische Armenier in den Bereichen Gastronomie, Textilwirtschaft, der Produktion von medizinischen Artikeln sowie als Juweliere tätig. „Die Leute, die nach Armenien kommen, sind sehr geschickt und gut ausgebildet“, so Vardanyan. „Die Frauen aus Syrien haben dort in erster Linie als Hausfrauen gearbeitet. Mit Empowerment-Projekten versuchen wir, sie trotz der bestehenden Traditionen zu bestärken, Geschäfte aufzubauen und zu führen.“