Starke Frauen und Natur: „Wovon Schwalben träumen“ von Daniela Meisel
Wien (APA) - „Schickes Kleid! Und, haben Sie auch schon Kinder?“ Haben sich die Fragen an Frauen gar nicht geändert?, fragt Marie ihre Oma i...
Wien (APA) - „Schickes Kleid! Und, haben Sie auch schon Kinder?“ Haben sich die Fragen an Frauen gar nicht geändert?, fragt Marie ihre Oma in Daniela Meisels neuem Roman „Wovon Schwalben träumen“. Er erzählt die Geschichten zweier Frauen, eine lebt in der Gegenwart, die Andere in den dreißiger Jahren. Inspiriert wurde Meisel von ihrer rebellischen Großmutter, der sie ihr Werk auch widmet.
Die Geschichte in dem eher handlungsarmen Roman ist schnell erzählt: Die Biologin Marie bekommt von ihrem deutlich älteren Freund Fritz, einem Universitätsprofessor, einen Heiratsantrag. Da sie unfähig ist zu antworten, gibt er ihr einen Tag Bedenkzeit. „Aber eins ist fix - ich warte nicht länger!“ Marie zieht sich zum Nachdenken in die Wohnung ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter zurück und sinniert dort nicht nur über ihr eigenes Leben, sondern lässt auch das Leben ihrer Oma Revue passieren. Alte Fotos, Briefe, Postkarten und Schmuck dienen als Rückschauen in die Kindheit und Jugend der Großmutter Freda.
Im zweiten und dominierenden Erzählstrang wird die Geschichte von Freda erzählt. Von ihrem Heranwachsen als uneheliches Wirtshauskind in einem niederösterreichischen Dorf, vom unterschwelligen Vorwurf ihres Vaters, eine „Stammhalterlose“ zu sein, ihrer ersten Liebe und dem beginnenden Zweiten Weltkrieg. Sie widersetzt sich althergebrachten Konventionen, trägt am liebsten Hosen, tobt durch den Wald, möchte maturieren und findet Mädchen dumm, die glauben, „nur mit Schleier was wert“ zu sein.
Häufig unterbricht die Freda-Erzählung und landet wieder in der Wohnung der Großmutter, wo Marie um Antworten ringt und die Rolle der Frau hinterfragt. „Oma, ich habe Angst, mit Fritz ganz schnell in eine Familie nach Vorstellung zu rutschen, und einmal drinnen werde ich von der Tradition überrollt.“
Wie viel Daniela Meisel in Marie Maler steckt, ist freilich nicht klar. Wie ihre Romanfigur studierte die im niederösterreichischen Horn geborene Meisel (Jahrgang 1977) Biologie, lebt inzwischen aber als freischaffende Autorin und Schreibpädagogin mit ihrem Mann und drei Kindern in Pfaffstätten. Bisher erschienen von ihr zwei Kinderbücher, drei Romane sowie Kurzprosa in Anthologien. Die Story für ihren vierten Roman sei „von meiner wilden und freien Großmutter inspiriert, die - aufgewachsen im konservativen und katholischen Waldviertel - schon früh für ihre Rechte als Frau eintrat, ein Umstand, den ich bei jungen Frauen heute oft schmerzlich vermisse“, erzählte Meisel.
„Wovon Schwalben träumen“ ist kein Text, den man im Vorübergehen liest. Wortgewaltige Naturbeschreibungen, Licht- und Schattenmetaphern sowie leitmotivisch vorbeiziehende Vögel verlangen der Leserin einiges ab, was mitunter bedeutet, einen Satz zweimal lesen zu müssen - oder zu dürfen.
„Von den Balkonen kann ich den Sonnenbogen beobachten. Mittags spiegelt das Licht in den Glasflächen der umliegenden Häuser. Schwalben und Schäfchenwolken pflückt man mit einem Handgriff. (...) Die Äste der Weide werfen ein Schattengemälde und Freda betrachtet die Haflingerstute, die neugierig herantrottet. Am Rücken webt die Sonne Goldglanz ins Fell. (...) Die Mutter sitzt auf der Bierbank wie eine frisch entfaltete Blüte. Rüschenkleid und rosige Wangen, von ihren Lippen glänzt der Ehemannkuss. Die Großmutter hockt schwarz daneben.“ Meisel leitet Schreibwerkstätten und zimmert darin wohl Sätze und Bilder wie diese.
„Wovon Schwalben träumen“ hebt nicht den feministischen Zeigefinger auf apodiktische Weise, sondern auf selbstbestimmte. „Ich bestimme, was und wie viel ich arbeite, verdiene mein eigenes Geld“, lautet Fredas Antwort auf ihren Heiratsantrag. So unglaublich es heute klingt, aber für eine Frau in der Nachkriegszeit war das keine Selbstverständlichkeit.
(S E R V I C E - Daniela Meisel: „Wovon Schwalben träumen“, Picus Verlag, 228 Seiten, 22 Euro; Buchpräsentation am 11.10., 19.30 Uhr, Haus der Kunst, Baden, Kaiser-Franz-Ring 7)