Brexit - Politologin Sully: Mit Deal nicht alles unter Dach und Fach
Wien/London (APA) - In den Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien hat es zuletzt Signale einer Annäherung gegeben. Doch auc...
Wien/London (APA) - In den Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien hat es zuletzt Signale einer Annäherung gegeben. Doch auch wenn es in diesem oder im nächsten Monat zu einer Einigung auf ein Abkommen kommen sollte, ist „noch nicht alles unter Dach und Fach“, wie die britische Politologin Melanie Sully im Gespräch mit der APA betont.
Eine Hürde könnte die unionistische nordirische DUP (Democratic Unionist Party) darstellen, die in der Frage der künftigen Regelung der Grenze zwischen Nordirland und Irland insbesondere darauf pocht, dass die Provinz nicht anders behandelt werden dürfe als der Rest des Vereinigten Königreichs. Sully beschreibt die DUP-Vertreter als „hartgesottene Verhandler“, die versuchen dürften, in den Gesprächen mit der konservativen britischen Regierung, die sie mit ihren zehn Abgeordneten im Unterhaus unterstützen, das Maximum herauszuholen. „Die Frage ist, ob sie wirklich bis zum Äußersten gehen und die Regierung zu Fall bringen würden“, und davon geht Sully letztlich nicht aus.
„Ich glaube, wir können eine Menge Störgeräusche von ihnen erwarten, aber wenn es hart auf hart kommt, werden sie den Sturz der Regierung nicht riskieren.“ Denn die DUP habe viel zu verlieren - „viel Geld“, das London für Investitionen in Nordirland zugesagt hat, als die Unterstützungsvereinbarung mit den Konservativen geschlossen wurde, „Glaubwürdigkeit als stabiler Partner“ auch einer etwaigen künftigen Regierung „und sie würden die Tür für (Labour-Chef) Jeremy Corbyn und eine linksgerichtete Regierung öffnen und damit für die SNP (Scottish National Party). Und das wollen sie nicht.“
Es sei nämlich durchaus denkbar, dass Neuwahlen dazu führen würden, dass die „Konservativen plus DUP“ durch „Corbyn plus SNP“ ersetzt würden, wenn Labour keine eigene Mehrheit erreichen sollte. „Und dann würde sich die Diskussion auf Schottland verlagern“, und die DUP würde ihren derzeitigen Einfluss verlieren, sagt Sully. Auch in der Vergangenheit habe die unionistische Partei außerdem gezeigt, dass sie hart verhandle, aber letztlich sehr pragmatisch sein könne. „Es geht um den Preis, den sie verlangen - und der Preis ist oft sehr hoch.“
Nicht ganz einfach könnte aber auch das parlamentarische Prozedere im britischen Parlament werden, wie die Politologin ausführt. Auch hier erwartet Sully nicht, dass die Abgeordneten einen von Premierministerin Theresa May mit der EU erreichten Deal gänzlich ablehnen würden. Sie könnten sich allerdings eine Reihe von Änderungen wünschen.
„Das Parlament könnte Ja zu dem Deal sagen, aber vorbehaltlich eines Referendums.“ Das sei etwa 1975 passiert, als das Parlament den Nachverhandlungen von Premier Harold Wilson mit der EG zugestimmt habe, „und dann gab es ein Referendum, das das gutgeheißen hat“. Ein derartiges Votum könnte man auch weiter in die Zukunft verschieben und beispielsweise vor der endgültigen Entscheidung über die künftige Partnerschaft mit der EU stattfinden lassen. Mit Abänderungsanträgen könnten die Abgeordneten die Regierung aber auch zurück an den Verhandlungstisch schicken, wenn sie mit einzelnen Punkten nicht einverstanden sein sollten. „All das würde Zeit brauchen.“
Auch müsste das Austrittsabkommen dann noch vom britischen Parlament ratifiziert werden, was weitere Verzögerungen bedeuten könnte. „Wenn das Parlament den Vertrag ablehnt, hat die Regierung 21 Tage Zeit zu erklären, warum er angenommen werden sollte“ - wobei die Abgeordneten das Abkommen theoretisch unbegrenzt oft zurückweisen könnten. „Ich glaube nicht, dass sie das tun würden, aber es wäre theoretisch möglich.“
Die Position von Premierministerin May erscheint nach Ansicht Sullys nach dem Parteitag der Konservativen in Birmingham zumindest für den Augenblick gestärkt. „Im Moment will niemand wirklich diesen Job, niemand will mit der EU verhandeln, das ist im Grunde eine Lose-Lose-Situation, und sie tut ihr Bestes. Und ich glaube, sie hat sich eine Menge Respekt erworben.“ Wenn Mays Brexit-Plan jedoch scheitern sollte, „dann scheitert sie mit ihm“, meint die Expertin - was eine Ablösung der Regierungschefin, aber nicht notwendigerweise Neuwahlen bedeuten könnte.