Expertin: Europa darf Seele nicht über Migrationsfrage verlieren
Wien (APA) - Mit einem flammenden Appell hat sich die Migrationsexpertin Melita Sunjic an Parlamentsvertreter der EU-Mitgliedsstaaten gewand...
Wien (APA) - Mit einem flammenden Appell hat sich die Migrationsexpertin Melita Sunjic an Parlamentsvertreter der EU-Mitgliedsstaaten gewandt, die am Donnerstag und Freitag in Wien über Außen- und Sicherheitspolitik der Union beraten. „Lassen sie nicht zu, das Europa über der Migrationsfrage seine Seele verliert“, forderte Sunjic.
„Ich möchte sie heute provozieren, damit Sie sich auf die Suche nach Lösungen machen“, erklärte die ehemalige Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR). Zwar sei die Thematik komplex, doch: „Kein Politiker ist gefährlicher als jener, der simple Antworten bereithält.“
In Form von sieben Thesen präsentierte Sunjic ihre Erfahrungen als langjährige UNO-Mitarbeiterin und Forderungen an die Politik. Diese beinhalten unter anderem die Trennung von Wirtschaftsmigration und Asylpolitik. Das Asylsystem könnte entlastet werden, wenn man „Arbeitsmigration herausnimmt und dafür separate Regelungen findet“, so die Österreicherin mit kroatischen Wurzeln. Derzeit gebe es kaum Möglichkeiten, um regulär einzuwandern.
Sunjic trat außerdem für „Aufklärung“ schon in den Herkunftsländern von Flüchtenden ein. Denn, je näher Migranten Europa sind, desto mehr Risiken seien sie bereit, einzugehen. In Richtung der anwesenden Politikern sagte die Expertin: „Sie können nicht einfach die Grenzen und Augen verschließen, sie müssen verstehen, warum die Menschen kommen.“
Nicht alle Flüchtlinge würden sofort nach Europa wollen. Oft - so auch 2015 - sei aber absehbar (gewesen), dass diese Menschen weiter nach Europa ziehen werden, weil „Erstasylländer alleine gelassen werden“, so Sunjic mit Blick auf Jordanien oder den Libanon. Die Geberländer hätten damals nur 30 Prozent der Mittel aufgestellt, um die Flüchtlinge dort zu versorgen. „Hat man daraus gelernt?“, fragte Sunjic. „Nein.“ Viele Flüchtlinge, etwa im Irak, würden derzeit wieder über Sekundärmigration nach Europa nachdenken, erzählte die Publizistin von ihrer vergangenen Reise.
Grenzen zu schützen, sei in Ordnung, sie sollten allerdings nicht für Schutzbedürftige geschlossen werden. Für Hysterie bestehe jedenfalls kein Anlass. Kritik übte Sunjic auch an „oft unpassend verwendeten Metaphern“ beim Thema Migration und Flucht („Ströme“, „Überschwemmung“) sowie an zu langsamen Asylverfahren in Europa.