Blick von außen

Prinzip Selbstmotivation: Fehler in klassischen Ansätzen?

Obacht! Likes in den sozialen Medien haben auf Dauer mit einem funktionierenden Privatleben nichts zu tun.

Es gibt unzählige Vorschläge zur Steigerung von Motivation. Gleichzeitig wird immer mehr von Sinnkrisen gesprochen. Könnte es sein, dass ein Konstruktionsfehler in den klassischen Motivationsansätzen liegt?

Von Roman Stöger

Seit der Antike haben Philosophen, Psychologen und Ökonomen immer wieder die Frage gestellt, wodurch Menschen angetrieben werden und etwas leisten. Erklärungsversuche sind beispielsweise Geld, Schulden, Pflicht, Trieb, Strafe, Lob, Wertschätzung … Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen und ist auch nicht falsch. Nur: Noch nie wurde so viel motiviert wie heute und noch nie leiden so viele Menschen unter Motivationsverlust. Fast macht es den Anschein, dass ein immer Mehr an Motivationsanstrengung ein immer Weniger an Motivationswirkung hervorruft.

Was treibt uns an?

Der Ansatz hinter den meisten Theorien und Erklärungsversuchen besteht darin, nach denjenigen Beweggründen zu suchen, die eine Handlung auslösen. In diesem Beitrag möchte ich die Fragestellung bewusst umdrehen, um auf den Wesenskern von Motivation zu kommen: Gefragt wird nicht nach dem Motiv für eine Handlung, sondern nach denjenigen Handlungen, die mich am Ende motivieren. Also nicht: „Verabreichen Sie mir Motivation und ich werde aktiv“, sondern „Ich leiste etwas und werde dadurch motiviert sein.“ Ziel ist es, so weit wie möglich selbst zur Quelle für die eigene Motivation zu werden. Die Skifahrerlegende Hermann Maier hat das einmal so formuliert: „Wenn ich darauf gewartet hätte, bis ich motiviert werde, hätte ich es nie zu etwas gebracht.“ Worauf kommt es also an?

Roman Stöger ist Professor für Strategische Unternehmensführung an der Fachhochschule Kufstein. Er ist seit über zwanzig Jahren in der Privatwirtschaft tätig, Autor zahlreicher Bücher und berät Vorstände und Geschäftsführer internationaler Unternehmen.

Erstens sind es selbst erzielte Resultate. Nichts motiviert mehr als Ergebnisse – beispielsweise ein gewonnener Auftrag, ein gelungenes Fest, die Renovierung des Eigenheims, eine anspruchsvolle Bergwanderung oder ein erfolgreicher Projektabschluß. Es wird an einem Ziel gearbeitet; nicht, weil Geld, ein Dienstwagen oder das Lob eines Chefs im Vordergrund stehen, sondern weil das vorliegende Ergebnis selbst Motivation erzeugt. Das ist im Kern der Motivationsansatz eines Viktor ¬Frankl: Sinn entsteht durch Resultate und diese Resultate sind Quelle von Motivation. Für Leistungsträger und generell alle, die etwas bewegen wollen, sind Resultate und jede Art von Erfolgserlebnis die Quelle von Sinn. Nicht primär „Freude an der Arbeit“ steht im Zentrum, sondern „Freude an Ergebnissen“.

Zweitens ist es eine positive Grundeinstellung, die für motivatorische Unabhängigkeit sorgt. Sehr viele Menschen sind negativ gepolt, d. h. sie sehen als Erstes das, was schlecht ist: Probleme, Stress, Arbeitsbelastung, Spannungen … Natürlich existieren diese Phänomene und es wäre naiv, das zu leugnen. Der entscheidende Punkt ist aber, wie damit umgegangen wird. Selbstmotivation bedeutet, sich bewusst an den positiven Themen im Leben auszurichten. Vor allem ist es der Grundsatz, in allem zuerst eine Chance zu sehen.

Es gibt Menschen, denen ist eine positive Grundeinstellung in die Wiege gelegt, andere müssen sich zeitlebens dazu zwingen. In beiden Fällen ist das Entscheidende die Lebensperspektive. Möchte ich ein Leben der Schwierigkeiten oder Probleme führen – oder ein Leben der Chancen und der Möglichkeiten?

Drittens ist eine wirksame Arbeitsmethodik Voraussetzung für Selbstmotivation. Dies betrifft die Frage, wie ich mit meiner Zeit umgehe bzw. wie ich meine Arbeitsabläufe steuere – und letztlich mich selbst. Wirksame Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Themen voraus sind, ihre Kommunikationskanäle diszipliniert verwenden und ihre Termine im Griff haben.

All das ist nicht sonderlich spektakulär und doch sind dies die Voraussetzungen für Wirksamkeit und damit für Selbstmotivation. Steuere ich mich selber oder werde ich fremdgesteuert? Treibe ich die Themen vorwärts oder bin ich permanent getrieben? Verbessere ich laufend meine Produktivität oder brauche ich viele Überstunden? Viele Menschen überlassen ihre Arbeitsmethodik dem Zufall oder sind sich der Bedeutung nicht bewusst. Selbstmotivation beginnt mit der Führung der eigenen Person.

Welt der Digitatisierung

Viertens kommt es auf ein funktionierendes Privatleben an. Das Motivationsthema wird oft in der Arbeitswelt gesehen. Die Leistungsfähigkeit hängt aber genauso von einem stabilen und inspirierenden privaten Umfeld ab. Beruflich noch so schwierige Situationen können ausgehalten werden, wenn aus dem Privatleben viel innere Kraft geschöpft werden kann; das Umgekehrte gilt natürlich ebenso. Gerade in einer Zeit der zunehmenden Vereinsamung und Digitalisierung der Beziehungen werden Partnerschaft, Familie, echte Freunde und wertschätzende Bekanntschaften immer wichtiger. Gemeint sind also nicht Society-Veranstaltungen oder Likes in den Social Media. All das ist Zeitverschwendung, trägt nicht auf Dauer und hat mit einem funktionierenden Privatleben nichts zu tun.

Fünftens sind es ein anspruchsvolles Hobby und Fitness. Auch wenn diese Faktoren etwas banal klingen mögen, so haben sie auf lange Sicht einen enormen Einfluss auf Lebensqualität und die Fähigkeit zur Selbstmotivation. Ein besonderes Armutszeichen liegt darin, wenn das Leben nur mehr aus dem Beruf besteht. Das mag herausfordern und vielleicht auch finanziell sehr auskömmlich sein; früher oder später bleibt aber ein massives Sinndefizit.

Die Lösung ist ein anspruchsvolles Hobby oder Interesse: Sport, Kultur, Verein, Ehrenamt und Ähnliches. Wichtig ist, dass diese Beschäftigung herausfordernd und erfüllend ist. Eng damit verknüpft ist die Fitness – vor allem dann, wenn das Lebensalter jenseits der dreißig liegt. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Ruhephasen und Entspannung sind nicht nur Voraussetzung langfristiger Leistungsfähigkeit, sondern auch Quelle von Lebenssinn und Selbstmotivation.

Eigener Lebenssinn

Die Einflussfaktoren auf die Selbstmotivation zeigen auf, dass es nur auf eines ankommt: auf mich selber. Gibt es und finde ich so etwas wie Sinn in meinem Leben? Bin ich aktiv und fähig, auch Freude am Geleisteten zu verspüren? Diese Fragen haben nichts mit Bildungsgrad, Geld oder Hier¬archie zu tun, sondern mit einer Lebenseinstellung. Der häufig verwendete Begriff der Work-Life-Balance ist vor diesem Hintergrund falsch, weil er einen Gegensatz zwischen Arbeit und Leben konstruiert. Der richtige Überbegriff lautet „Lebenssinn“ und beinhaltet alle Dimension von „Life“: Privates und Berufliches, Individuelles und Soziales, Körper und Geist, Gegenwart und Zukunft.

Selbstmotivation erfordert keine tiefenpsychologische Herangehensweise oder esoterischen Erfahrungszirkel. Die fünf dargestellten Faktoren sind die entscheidenden Themen, auf die es ankommt. Wichtig ist es, immer wieder eine Standortbestimmung zu machen und mit Austauschpartnern darüber zu sprechen. Dann wird es gelingen, unabhängig von der Motivation durch andere zu sein und Quelle des eigenen Lebenssinns zu werden.