Oktoberfest mit Krokodil: Lietzows „Kasimir und Karoline“ in Linz

Linz (APA) - Während in München das 185. Oktoberfest seit ein paar Tagen schon wieder Geschichte ist (der Schlussbericht vermeldete stolz 6,...

Linz (APA) - Während in München das 185. Oktoberfest seit ein paar Tagen schon wieder Geschichte ist (der Schlussbericht vermeldete stolz 6,3 Millionen Gäste, die 7,5 Millionen Maß Bier tranken), geht‘s in Linz erst richtig los: Am Freitag hatte Ödön von Horvaths bitteres Oktoberfest-Stück „Kasimir und Karoline“ am Landestheater Premiere. Susanne Lietzow treibt dabei dem Fest die Feierstimmung gründlich aus.

Auf der Bühne schlägt sich nicht nur der Strichregen auf die Gemüter. Auch sonst liegt eine angespannte Stimmung in der Luft, eine mühsam unterdrückte Gewalt, die sich jederzeit entladen kann. Lietzow hält sich nicht lange mit Schein-Idyllen auf, sondern setzt im Verein mit Bühnenbildnerin Aurel Lenfert und Kostümbildnerin Marie-Luise Lichtenthal deutliche Zeichen. Beherrschendes Tier auf der Drehbühne unter einem frei schwebenden Ringelspiel-Dach ist nicht ein Karussell-Pferd, sondern ein großes Plastik-Krokodil. Dass es sich im Verlauf des Abends auf Karolines Aufforderung wie ein Haushund an ihrer Seite fortbewegen wird, ist nicht die einzige Überraschung der Aufführung. Auch dass das dauerblinkende Dach wie ein Ufo fliegen kann (oder nach Art des angesprochenen Zeppelins „ein paar Schleifen beschreibt“), geschieht unerwartet.

Schon der erste Auftritt der Titelhelden ist ein starkes Signal: Theresa Palfi trägt als Karoline knalligen Lippenstift und ein quietschbuntes Sommerkleid. Sie ist fest entschlossen, sich heute zu amüsieren und lässt das auch ihren Bräutigam spüren. Doch der ist just an diesem Tag entlassen worden. Während ihm die Braut entgleitet, hat Alexander Julian Meile als Kasimir nicht mehr viel zum Anhalten: die angelesenen Worthülsen und zugefeilten Sprach-Fertigteile, die ihm Horvath in den Mund gelegt hat, einen großen, weißen Plüsch-Tiger, den er offenbar unmittelbar zuvor beim Preisschießen gewonnen hat, und seinen alten Freund, den Merkl Franz.

Doch sich auf den Merkl verlassen heißt, verlassen zu werden: Jan Nikolaus Cerha gibt ihm eine Gefährlichkeit, die jäh in Hilflosigkeit umschlagen kann. Dass seine Erna an der Seite dieses Kleinkriminellen weder Gegenwart noch Zukunft sieht, macht Corinna Mühle mit jeder Faser ihres Körpers deutlich.

Eindeutig am wohlsten in seinem Körper fühlt sich der schöne Eugen: Christian Taubenheim gestaltet seinen Zuschneider Schürzinger in Poloshirt und lässig übergeworfenem Pullover als zurückhaltenden Sir, der mit seiner freundlicher Miene verschleiert, dass er in Wahrheit ein Charakterschwein ist. Ordentlich die Sau rauslassen dürfen dagegen Klaus Müller-Beck und Sebastian Hufschmidt: Als Rauch und Speer sind sie Spießer-Karikaturen, die einem Gemälde von George Grosz nachempfunden zu sein scheinen. Das Besäufnis artet schließlich in ein veritables Schlammcatchen aus, das Lietzow genussvoll auswalzt.

Auch rundherum macht die Regisseurin vieles richtig. Sie schickt Elli und Maria in sanft heutigem Outfit auf den Babystrich, streicht Jahrmarktszenen wie den Mann mit dem Bulldoggkopf und das singende Affenmädchen Juanita und gibt stattdessen Frau Wirtin (Gotho Griesmeier) und einer erfundenen Trinker-Figur (Klaus Huhle) ordentlich was zum Singen. Am Ende haben sich zwei neue Paare gefunden, mehr aus Notlösung als aus Zuneigung. Niemand weiß, was sie Zukunft bringt.

Susanne Lietzow zeigt mit dieser selbstbewussten, ungewöhnlichen Inszenierung: So geht Horvath heute. Noch sind seine Stücke traurige, illusionslose Märchen. Dass sie uns schon wieder fast aktuell vorkommen, sollte ein deutliches Warnsignal sein.

(S E R V I C E - „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horvath, Inszenierung: Susanne Lietzow, Bühne: Aurel Lenfert, Kostüme: Marie-Luise Lichtenthal, Musik: Gilbert Handler, Mit Alexander Julian Meile - Kasimir, Theresa Palfi - Karoline, Christian Taubenheim - Schürzinger, Jan Nikolaus Cerha - Der Merkl Franz, Corinna Mühle - Dem Merkl Franz seine Erna, Klaus Müller-Beck - Rauch, Sebastian Hufschmidt - Speer, u.a.; Landestheater Linz, Schauspielhaus, Nächste Vorstellungen: 16., 23.10., 3., 6., 7., 16.11., Karten: 0732/76 11-400, https://www.landestheater-linz.at/)

(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen im Pressebereich von https://www.landestheater-linz.at/ zum Download bereit.)