Ein Jahr nach Schüssen von Stiwoll - Ein Ort bewältigt die Krise

Stiwoll/Graz (APA) - Am 29. Oktober 2017 wurden im Zuge eines Nachbarschaftsstreits in weststeirischen Gemeinde Stiwoll zwei Menschen erscho...

Stiwoll/Graz (APA) - Am 29. Oktober 2017 wurden im Zuge eines Nachbarschaftsstreits in weststeirischen Gemeinde Stiwoll zwei Menschen erschossen und ein weiterer schwer verletzt. Der Täter ist seither verschwunden. „Die Erschütterung war in den ersten Tagen groß“, sagte Edwin Benko vom Kriseninterventionsteam (KIT) des Landes im Gespräch mit der APA.

Nach dem Doppelmord wurde der mutmaßliche Täter zunächst in den Wäldern rund um seinen Heimatort vermutet. Die Polizei war mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Beamten, Hubschraubern, Suchhunden sowie mit Unterstützung des EKO Cobra und drei gepanzerten Fahrzeugen angerückt, um nach dem Mann zu suchen. Die Allerheiligenprozession wurde abgesagt, selbst die Messe war von Polizeikräften gesichert worden.

„Ein Doppelmord und ein flüchtiger Täter: Das ist kein Routinefall in einer kleinen Gemeinde, wo jeder jeden kennt“, resümierte der KIT-Leiter. Seine Mitarbeiter waren vom Tag des Geschehens an in der Gemeinde, um der Bevölkerung unmittelbar psychologische Unterstützung zu bieten.

„Das Unfassbare, dass so eine Tat im eigenen Ort geschehen kann, hat zu einer großen Erschütterung der Menschen geführt. In solchen Situationen fühlt man sich hilflos und ausgesetzt und das führt zu Angst, kann in Verzweiflung münden, in Rückzug, Menschen wollen nicht mehr aus dem Haus gehen, leiden an Schlaflosigkeit. Das ist alles normal. Hier geht es darum, dass die Menschen wieder stabilisiert werden und Möglichkeiten zur Bewältigung der unfassbaren Situation finden“, schilderte Benko die Aufgabe, vor der seine Mitarbeiter standen.

„Die ersten Tage waren geprägt von der Verunsicherung, ob es nicht nochmals zu einer Bluttat kommen könnte, ob man selbst wieder außer Haus gehen soll, ob man die Kinder wieder draußen spielen lassen kann“, erinnerte sich der Grazer Psychotherapeut. „Die Familien waren sehr angespannt, aber die Situation ist nicht gekippt“, sagte Benko.

Das massive Aufgebot an Einsatzkräften habe die psychische Belastung zuerst verschärft, „die Stimmung hat sich aber schnell gewandelt zu einem ‚sie suchen und sie schützen uns‘“. Das hatte auch damit zu tun, dass es laufend Informationen zum Stand der Ermittlungen gab. „Dadurch haben die Menschen wieder mehr Sicherheit gewonnen“, erklärte Benko.

Zehn Tage war das Team mit bis zu zehn Mitarbeitern im Einsatz. „Wir hatten Informationstermine für die Bevölkerung im Gemeindeamt und wir haben die direkt und indirekt betroffenen Familien in den Häusern besucht. Danach waren wir weiterhin telefonisch erreichbar“, erzählte Benko.

Menschen reagieren auf außergewöhnlich belastende Ereignisse ungewöhnlich. Es könne auch sein, dass einige auch noch rund um den Jahrestag Unterstützung benötigen, sagte Benko. „Manche können es sich selbst nicht eingestehen, dass sie Hilfe brauchen, sie ziehen sich zurück oder trinken plötzlich mehr“, weiß Benko aus jahrelanger Berufserfahrung. Den Menschen in Stiwoll rät er, „aufeinander zu schauen, da kann man wirklich sehr viel Gutes tun und das ist eine sehr schöne Aufgabe“.

„Betroffene können sich natürlich auch heute noch an uns wenden. Wir schauen, dass sie bekommen, was sie brauchen“, auch der Bürgermeister wisse, dass er - bei Bedarf - auch weiterhin eine Unterstützung für die Bevölkerung holen kann, so der Leiter des KIT des Landes Steiermark.