Kresniks „Macbeth“ präsentierte sich zeitlos modern in Linz
Linz (APA) - Es ist viel, was auf das Publikum einströmt, viel Blut, viel Kampf, viel Gemetzel aber auch viel Ästhetik, viele starke Bilder ...
Linz (APA) - Es ist viel, was auf das Publikum einströmt, viel Blut, viel Kampf, viel Gemetzel aber auch viel Ästhetik, viele starke Bilder und viel Tanz auf sehr hohem Niveau. Dass 30 Jahre seit der Uraufführung des „Macbeth“ von Johann Kresnik, Gottfried Helnwein und Kurt Schwertsik vergangen sind, merkt man am Samstag im Musiktheater in Linz nicht. Das Stück wirkt bestechend aktuell und zeitlos modern.
Der 78-jährige Kresnik orientiert sich in seinen Arbeiten stets an Realität und Politik. Bei der Uraufführung 1988 am Theater der Stadt Heidelberg war es der Tod des deutschen Ministers Uwe Barschel - dem entspricht vor allem das Schlussbild vom getöteten Macbeth in der Badewanne. Kresniks dem Werk zugrunde gelegte Frage „Wie weit geht ein Politiker in seinem Leben?“ ist auch heute allgegenwärtig und macht nach dem rasanten Tanz nachdenklich.
Shakespeares Geschichte vom Feldherrn Macbeth, der nach der Weissagung dreier Hexen König wird und der immer weiter mordet, um seine Macht zu erhalten, hat Kresnik auf gute 100 Minuten Tanztheater verdichtet. Den Hauptfiguren lässt er viel Raum, Nebenrollen gehen im Ensemble auf. Die live Klavierbegleitung - Bela Fischer jr. und Stefanos Vasileiadis - unterstreicht das Geschehen meisterhaft.
Rot wie Blut, weiß wie Schnee und schwarz wie Ebenholz - das Farbthema ist aus Schneewittchen entlehnt, sonst herrscht eher Horror-Stimmung. Das ganze Stück - alles wurde gewissenhaft rekonstruiert - folgt einer bizarren Ästhetik und ebensolchen Ritualen. Bevor das riesige bronzefarbene Tor auf der sonst in sterilem Weiß gehaltenen Bühne sich öffnet, donnern die Riegel. Nachdem es einen Toten gab, kommt eine schwarzverhüllte Priester-Gestalt und schüttet Blut und menschliche Überreste in einen roten See auf dem Orchestergraben. Reicht ein Eimer oder eine Wanne nicht mehr aus, öffnen sich zwei Wasserhähne und durch sieben Schläuche, die entlang der stechend weißen Wände nach vorne laufen, wird Blut gepumpt und fließt in den See.
16 weiße Badewannen stehen anfangs im Mittelpunkt und bilden dann den Rahmen für das Geschehen. Klirrende Messer, Stiefeldonner, rollende Häupter verdeutlichen die Gewalt; wirklich schaurig wird es, wenn vier irre Ärzte die Kinderschar sowie Lady Macduff in einem Gemetzel hinrichten - die einzige Szene, in der das Farbschema mit pastellfarbenen Pyjamas gebrochen wird.
Die Tänzerinnen und Tänzer des Linzer Ensembles leisten Großartiges, allen voran Pavel Povraznik als Macbeth und Edward Nunes als Banquo in getanzten Verbrüderungen, Kämpfen und Träumen. Andressa Miyazato wandelt sich als Lady Macbeth im blutroten Kleid zu einer Irren, die sich schließlich mit zwei grünen Schlangen als Handpuppen selbst richtet. Die drei Hexen Kayla May Corbin, Tura Gomez Coll und Rutsuki Kanazawa erscheinen als schaurige Uniformträgerinnen und sind sehr präsent. Jonatan Salgado Romero wird als König Duncan mit Gold geschmückt, während Macduff Valerio Iurato, der Macbeth schließlich zur Strecke bringt, und seine Lady Mireia Gonzalez Fernandez in Weiß kommen als Gegensatz zum meist in schwarz agierenden Ensemble.
Alle haben gespenstisch weiß geschminkte Gesichter, tanzen in größter Präzision - notwendig, wenn Messer im Spiel sind - und ausdrucksstark, meist laut und kämpferisch, doch vor allem Povraznik und Nunes sowie Salgado Romero und Miyazato gelingen auch leise, eindrückliche Momente. Ohne Worte wird der von Lady Macbeth Besitz ergreifende Wahnsinn mehr als deutlich, Macbeth im goldenen Narrenhut und Riesenstiefeln wirkt zuletzt wie ein trotziges Kind, das von Macduff fast sanft und sacht in die finale Badewanne gelegt wird.
Als das Tanztheater vor 30 Jahren in Heidelberg uraufgeführt wurde, gab es großen Wirbel und sogar Morddrohungen, am Samstag in Linz reichte es noch für zwei zaghafte Buhrufe, die aber sogleich in frenetischem Applaus untergingen.
(S E R V I C E - „Macbeth“ - Choreografisches Theater von Johann Kresnik und Gottfried Helnwein, Musik von Kurt Schwertsik. Choreografische Einstudierung: Christina Comtesse. Mit u.a. Pavel Povraznik (Macbeth), Andressa Miyazato (Lady Macbeth), Edward Nunes (Banquo). Weitere Aufführungen: 15., 18., 27., Oktober, 10., 18., 20. November. http://www.landestheater-linz.at)