„Abwarten und hoffen“: Unsicherheit in Sachen Brexit dauert an

London (APA) - Zuletzt hat es Signale einer Annäherung in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union gegeben und S...

London (APA) - Zuletzt hat es Signale einer Annäherung in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union gegeben und Spekulationen, dass man sich bald auf ein Austrittsabkommen einigen könnte. Doch noch ist die Unsicherheit in Sachen Brexit und mögliche Folgen keineswegs vorbei.

Schon seit dem britischen EU-Referendum im Juni 2016, bei dem rund 52 Prozent für den Austritt votierten, wirft der für Ende März 2019 geplante Brexit seine Schatten voraus und macht sich in vielen unterschiedlichen Bereichen bemerkbar. Vertreter österreichischer Unternehmen in Großbritannien, die EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) diese Woche in London getroffen hat, berichten beispielsweise von beträchtlichen Auswirkungen der Wechselkursschwankungen zwischen Pfund und Euro.

„Die Auswirkungen haben wir schon vor zwei Jahren gespürt, unmittelbar nach dem Referendum, weil der Wechselkurs Pfund zum Euro stark gefallen ist, und als klassischer Importeur, wo alles in Österreich produziert wird bei uns im eigenen Betrieb in der Südoststeiermark, sprich in Euro, aber alles hier über London vertrieben wird und in Pfund verkauft wird, haben wir natürlich leider sofort den Impact wahrgenommen“, schilderte Bernd Radaschitz, Mitbegründer und CEO der Firma Interior-iD. „Die Sorge ist natürlich, dass es noch einmal schlimmer wird, wenn es zu einem harten Brexit kommt und keinem Deal.“

Die Wechselkursschwankungen beschrieb auch Michael Zeidler, Geschäftsführer von Swietelsky in Großbritannien, als problematisch. Man könne nur „abwarten und hoffen“, sagte er. „Je softer der Brexit, desto besser, im Prinzip, denn ein weiterer Kursverfall könnte schon drastische Probleme verursachen.“

Unklare Aussichten bedeutet der herannahende Brexit auch für österreichische Wissenschafter in Großbritannien, wie Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen und Universitäten Blümel bei einer Gesprächsrunde in Österreichs Botschaft in London schilderten. Auch hier war von „großer Unsicherheit in der Community“ die Rede, davon, dass sich viele in „Warteposition“ befänden, weil sie immer noch nicht wüssten, was der Brexit für sie genau bedeuten würde, und dass so mancher überlege, nach Österreich zurückzukehren oder in ein anderes EU-Land umzuziehen. Was allerdings ebenfalls Fragen aufwerfe - etwa hinsichtlich der künftigen Anrechenbarkeit von Pensionszeiten.

Auch eine baldige Einigung zwischen London und der EU, wie sie viele erhoffen, bedeutet freilich noch kein gänzliches Ende der durch das Brexit-Votum verursachten Unsicherheit. „Die große Frage ist, was passiert, wenn dieser Deal, wie auch immer er aussehen mag, nach London zurückkommt“, sagte Anand Menon, Professor am Londoner King‘s College, am Rande des Ministerbesuchs zu österreichischen Journalisten. „Das weiß niemand.“ Er habe die vergangenen vier Wochen auf den Parteitagen britischer Parteien verbracht, erzählte Menon - „und was auffallend war, ist, dass die Abgeordneten selbst nicht wissen, wie sie abstimmen werden“. Viele seien „sehr, sehr unschlüssig“.

Dabei sei der Ablauf „absolut entscheidend“, meinte der Direktor des Thinktanks „UK in a Changing Europe“. „Wenn das britische Parlament nach dem Europäischen Parlament abstimmen würde, also zuerst das Europäische Parlament am Zug wäre und das britische im März abstimmen würde, dann würde die Regierung gewinnen.“ Denn bis März würde sich die Wahl automatisch in eine zwischen „Deal oder no Deal“ kristallisieren.

Nachdem das britische Parlament aber vermutlich im Dezember oder Jänner abstimme und deshalb immer noch Zeit sei, „an den Verhandlungstisch zurückzukehren“, reduziere das den Druck auf die Abgeordneten beträchtlich. Die Regierung werde versuchen, „den Brexit-Deal als Deal versus no Deal zu verkaufen“ - und vieles von dem, was im britischen Parlament letztlich passieren werde, werde davon abhängen, wie erfolgreich sie dabei sei.