Regisseurin Christina Tscharyiski: „Es kostet immer alles!“

Berlin (APA) - Christina Tscharyiski ist erleichtert. Die Übernahme des Berliner Ensembles durch eine Guerilla-Truppe junger Frauen aus Öste...

Berlin (APA) - Christina Tscharyiski ist erleichtert. Die Übernahme des Berliner Ensembles durch eine Guerilla-Truppe junger Frauen aus Österreich ist gelungen. Zumindest für eine Produktion. Zumindest auf der kleinen Bühne. Die gestrige erfolgreiche Premiere des Doppelabends „Revolt. She said. Revolt again.“ und „Mar-a-Lago.“ ist ein weiterer Meilenstein in der Karriere der 29-jährigen Wiener Regisseurin.

Und wieder merkt man der Produktion etwas an, das schon die meisten von Tscharyiskis bisherigen Inszenierungen auszeichnete: ein großer Spaß an der Arbeit, Engagement statt Routine. „Es kostet immer alles - aber dass muss es ja auch. Wir wollen erzählen, was uns am Herzen liegt. Wir versuchen alles, damit der Funke überspringt, ohne dabei verbissen zu sein“, formuliert sie am Morgen nach der Premiere im Gespräch mit der APA ihr Credo. Dabei hat sie sich mit der Künstlerin Verena Dengler und der Rapperin Ebow auch diesmal Unterstützung aus anderen Bereichen geholt. „Ich arbeite gerne mit Menschen aus anderen Bereichen der Kunst zusammen. Das ergibt eine andere Unmittelbarkeit als herkömmliches Theater-Theater. Da reibt sich etwas und kann auch weiter ausstrahlen.“

Gerieben hat sich das Team auch an den Inhalten der beiden Stücke von Alice Birch und Marlene Streeruwitz, die als „feministische Doppelpremiere“ angesetzt wurden. „Uns war bewusst, dass wir hier als Vorzeige-Gender-Produktion eingekauft wurden. Natürlich sind das Themen, die auch uns unter den Nägeln brennen. Aber es ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Marlene Streeruwitz ist noch eine Kämpferin mit dem Maschinengewehr. Die neue Generation verwendet und übersteigert das. In Rap und Popkultur gibt es einen leichteren, spielerischen Umgang damit, fast eine ironische Distanz. In der Perspektive der Frauen hat sich etwas verändert: Man hat keine Lust mehr auf die Opferhaltung.“

Tscharyiski, in Wien geboren, hat einen bulgarischen Vater und ist mit 11 Jahren erstmals auf der Bühne gestanden, in der Wiener „Viridiana“-Inszenierung von Dimiter Gotscheff. „Das war die Initialzündung.“ Wie erlebt sie, die nach einem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften und der Psychologie viele Regieassistenzen gemacht hat, ehe sie vor fünf Jahren am Theater in der Josefstadt die Chance zu ihrer ersten Regiearbeit („Ganz ohne Welpenschutz“) erhielt, ihre eigene Karriere aus Gender-Sicht? „Solange man in einer zuarbeitenden Position wie die einer Regieassistentin ist, läuft alles problemlos. Widerstände spürt man erst, wenn man selbst Regie machen möchte. Und dann bemerkt man: Frauen auf der Großen Bühne sind ein großes Thema. Frauen inszenieren noch immer vorwiegend auf den kleinen Bühnen.“

Ihre eigene Karriere zündete durch den großen Erfolg des für den Rabenhof im Vorjahr erarbeiteten Stefanie Sargnagel-Abends „Ja, eh!“ so richtig. Seit man damit beim Heidelberger Stückemarkt und beim Festival „Radikal jung“ gastierte, häufen sich die Anfragen. Als nächstes bringt sie einen Qualtinger-Abend auf die Große Bühne des Landestheaters Niederösterreich („Das wird von einer Frau geleitet...“) und setzt sich dabei auch mit den gesellschaftlichen Strukturen der 1950er- und 60er-Jahre auseinander. Am Schauspielhaus Graz wird sie im März den Bachmannpreis-Siegertext und andere Texte von Ferdinand Schmalz inszenieren („schlammland gewalt“).

In der kommenden Saison bringt sie ein Stück, das David Schalko extra für sie geschrieben hat, im Wiener Rabenhof zur Uraufführung. In der dortigen Theaterfamilie fühle sie sich aufgehoben und richtig am Platz, schwärmt sie und lobt Thomas Gratzer, der sie von ihrer allerersten Hospitanz an gefördert habe, über den grünen Klee. „Der Rabenhof ist das Volkstheater der Popkultur. Da fühle ich mich zu Hause.“ Bekanntlich sucht Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ja nach künftigen neuen Bespielungskonzepten des Volkstheaters. Ließe sich das Rabenhof-Konzept wohl dorthin verpflanzen? „Ich glaube voll daran. Theater-Hochkultur gibt‘s in Wien genug. Es fehlt das zeitgenössische, popkulturelle Gegengewicht“, ist Tscharyiski überzeugt und verweist auf das eben inszenierte Stück, in dem die Frauen zaudern, ob sie die Initiative ergreifen sollen: „Laut Streeruwitz dürften wir nicht lange fackeln. Wir müssten sagen: Kommt, wir besetzen das Theater und fangen einfach an.“

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)