Bayern-Wahl - Deutsche Volksparteien wurden abgestraft

München /Berlin (APA/dpa) - Der Freistaat Bayern war in Deutschland politisch immer etwas anders aufgestellt als der Rest der Republik. Fast...

München /Berlin (APA/dpa) - Der Freistaat Bayern war in Deutschland politisch immer etwas anders aufgestellt als der Rest der Republik. Fast ununterbrochen hat dort seit Ende des Zweiten Weltkriegs dieselbe Partei regiert, die Christlich-Soziale Union (CSU), und das meist mit absoluter Mehrheit. So selbstverständlich schienen CSU-Wahlsiege und so groß war ihre Dominanz, dass oft schon von einer „Staatspartei“ die Rede war.

Nun beginnen für die Christsozialen, die als Parteifarben die weiß-blauen bayerischen Landesfarben führen, bescheidenere Zeiten. Trotz der guten Wirtschaftslage im reichsten deutschen Bundesland büßte die CSU bei der Landtagswahl am Sonntag rund zwölf Prozentpunkte ein und landete bei knapp über 35 Prozent.

Damit setzt sich ein Trend fort, der sich schon bei der Bundestagswahl im September 2017 abgezeichnet hatte: Die großen Volksparteien, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Großen Koalition Deutschland regieren, werden immer schwächer. Denn auch die Sozialdemokraten (SPD) verloren am Sonntag noch massiv Stimmen und lagen in ersten Hochrechnungen sogar unter 10,0 Prozent.

Schon bei der Bundestagswahl waren CDU, CSU und SPD die großen Verlierer. Die Flüchtlingskrise 2015, als über Monate hunderttausende Asylsuchende unkontrolliert ins Land kamen, hatte die seit 2013 regierende Große Koalition deutlich Zustimmung gekostet. Trotzdem wurde die „GroKo“ nach der Wahl mangels Alternativen neu aufgelegt.

Die Regierungsbildung war quälend langsam. Seit dem Beginn der vierten Amtszeit Merkels als Kanzlerin im Frühjahr machte die Regierung immer wieder mit Streitereien Negativschlagzeilen. „Die schlechte Performance der Großen Koalition“, machte SPD-Chefin Andrea Nahles am Wahlabend dann auch als einen der Gründe für das Wahldesaster aus.

Für das schlechte CSU-Ergebnis waren neben dem Gegenwind aus Berlin aber auch heimische Gründe ausschlaggebend. „Die CSU hat das Gespür verloren für das, was Bayern bewegt“ - diesen Satz bejahten in einem am Wahlabend von der ARD verbreiteten Umfrage 65 Prozent der Bürger.

Mit einer harten Rhetorik in der Flüchtlingspolitik verprellte die CSU viele frühere Wähler, die der Meinung sind, das ein reiches Land wie Deutschland Schutzsuchenden aus Krisengebieten sehr wohl helfen muss. Andererseits gelang es der CSU damit nicht, die AfD entscheidend zu schwächen. Und bundespolitisch hatte sich CSU-Chef Horst Seehofer mit seiner Forderung nach einer festen „Obergrenze“ für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht gegen Merkel durchsetzen können. Manch einer in Bayern spottete über den „Drehhofer“, der zu oft seine Positionen änderte.

Seehofer war seit 2008 bayerischer Ministerpräsident und hatte bei seiner Wiederwahl fünf Jahre später verkündet, dass für ihn 2018 Schluss wäre. Dann überlegte es sich der heute 69-Jährige anders, doch nach der Bundestagswahl drängten ihn seine eigenen Leute zum Amtsverzicht. Im März wurde der 18 Jahre jüngere Markus Söder sein Nachfolger, Seehofer blieb Parteichef und wechselte als Innenminister ins Kabinett Merkel.

Söder, der zuletzt Finanzminister war, gilt als machtbewusst und durchsetzungsstark, genießt aber in der Bevölkerung keine all zu hohen Sympathiewerte. In einer Umfragen im August verbuchte er die geringsten Zustimmungswerte aller deutschen Ministerpräsidenten. Sein Machtkampf mit Seehofer und dessen ständige Reibereien mit der Kanzlerin kamen ebenfalls nicht gut an. Der Streit sei inzwischen zum Markenkern der Partei geworden, befand der Politologe Werner Weidenfeld.

Auch der gesellschaftliche Wandel macht der CSU zu schaffen. In dem einst stark katholisch geprägten Land schreitet die Säkularisierung voran, die Bevölkerungsstruktur hat sich verändert. „Die bayerische Bevölkerung denkt heute viel moderner und ist somit viel gesamtdeutscher, als es die CSU wahrhaben will“, schrieb das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Der CSU-Ehrenvorsitzende und frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber sah die CSU schon als Opfer ihres eigenen Erfolges. Aufgrund der guten Wirtschaftslage seien Millionen vor Menschen aus anderen deutschen Bundesländern nach Bayern gezogen. „Und nicht jeder von ihnen kann wissen, welchen großen Anteil die CSU am Erfolg Bayerns hat“, sagte er in einem Zeitungsinterview. Viele „Zugereiste“ hatte es aber auch 2013 schon in Bayern gegeben, und da holte die CSU noch die absolute Mehrheit.