TT-Interview

Kristoffersen: „Eine Schande, was bei Aksel und mir abläuft“

Beim MotoGP-Rennen in Spielberg schaute Henrik Kristoffersen mit Freundin Tonje Barkenes vorbei.
© gepa

Zwischen Millionenklage, Gesamtweltcup und Nationenwechsel: Norwegens Ski-Star Henrik Kristoffersen (24) blickt im TT-Gespräch voraus.

Im Vorjahr fuhr Marcel Hirscher nach dem Knöchelbruch seine beste Saison. Heuer haben Sie sich im August den großen Zeh gebrochen. Da könnte man ja behaupten ...

Henrik Kristoffersen: Scheint ein gutes Omen zu sein (lacht). Marcel hatte aber sicher die schlimmere Verletzung. Bei mir war es nach zehn Tagen wieder besser, das Training wurde kaum beeinflusst. Es schmerzt aber immer noch, wenn ich ohne Schuhe gehe.

Im Vorjahr haben Sie erwähnt, nach Hirschers Vorbild eine längere Ski-Pause im Sommer einlegen zu wollen. Ging der Plan nun unfreiwillig auf?

Kristoffersen: Ich hoffe, dass er auch aufgeht. Ich habe erst am 26. August mit dem Schneetraining angefangen, das war zwei Wochen später als im Vorjahr. Das kann mental sehr wichtig sein, weil die Saison damit gut einen Monat kürzer ist.

Vor einigen Wochen ließen Sie damit aufhorchen, dass Sie noch schneller fahren als im Vorjahr. Wie gut war die Vorbereitung?

Kristoffersen: Ich weiß nicht, ob die Vorbereitung besser war. Es sieht aber besser aus, ich fahre schneller. Für die Saison heißt das noch nichts.

Der Sommer 2017 war geprägt vom Konflikt mit dem norwegischen Skiverband. Sie mussten alleine trainieren, wurden ausgeschlossen. Was hat sich verändert?

Kristoffersen: Letztes Jahr war wichtig für mich, weil ich machen konnte, was ich wollte. Ich habe von Mai bis Oktober alleine trainiert und so rausgefunden, was entscheidend ist. Jetzt bin ich wieder mit dem Team am Weg – aber es sind nur Leif Kristian Haugen und ich in der Trainingsgruppe.

Sie sind sich mit dem Verband noch immer nicht einig, wollten Ihren eigenen Kopfsponsor haben, was nicht gestattet war, und klagten. Daraufhin gab es auch in Norwegen starke Kritik an Ihrer Vorgehensweise. Lesen Sie so etwas überhaupt?

Kristoffersen: Das stört mich nicht. Ich denke, dass es im Verband unfair abläuft. Ich will, was Sponsoren angeht, dieselben Möglichkeiten wie die Athleten in allen anderen Ländern – außer Norwegen und Schweden. Ich will die Möglichkeiten von Hirscher und Pinturault.

Laut Medienberichten fordern Sie aufgrund entgangener Werbeeinnahmen eine Entschädigung von 15 Millionen Kronen, also etwa 1,6 Millionen Euro.

Ich habe gesagt: Ihr könnt das ganze Geld aus dem Deal haben. Ich will nur die Möglichkeiten von Hirscher.
Henrik Kristoffersen, Ski-Star

Kristoffersen: Das sind eher 1,5 Millionen Euro. Ich habe diese Summe nicht bestimmt, das haben die Anwälte gemacht. Da geht es auch gar nicht um das Geld. Ich habe dem Verband gesagt: „Ihr könnt das ganze Geld aus dem Red-Bull-Deal haben!“ Ich will nur die Möglichkeiten, die dieser Sponsor mir bietet, damit ich besser werde. So wie Hirscher. Geld ist nicht das Wichtigste – das Wichtigste ist, dass ich ein besserer Athlet werde. Ich habe letztes Jahr einen neuen Deal unterschrieben und wollte dabei nicht mehr Geld, sondern einen neuen Servicemann. Jetzt habe ich zwei für mich alleine. Geld hilft mir nicht, besser zu werden. Ein Servicemann tut das schon.

Sie sprechen damit die individuelle Betreuung an, auf die etwa Mikaela Shiffrin oder Hirscher setzen. Für Sie der einzig richtige Weg?

Kristoffersen: Definitiv! Die Leute können das alles kommentieren, wie sie wollen. Niemand, der mir nicht seit meinem zehnten Lebensjahr nahe ist, kann sagen, wie es wirklich ist. Als ich mit dem Skifahren angefangen habe, haben alles meine Eltern gezahlt! So lange, bis ich das erste Europacup-Rennen gewonnen habe (2012, Anm.). Als ich dann das erste Jahr im Weltcup gefahren bin, habe ich den Verband immer noch bezahlt, damit ich fahren darf. Und das erste Jahr, in dem ich nichts gezahlt habe, da siegte ich in Schladming und holte Olympia-Bronze (2014, Anm.). Das war zugleich die erste Saison, in der meine Mutter und mein Vater nichts gezahlt haben! Und jetzt kommen die Leute daher und sagen: „Der Verband hat dir immer so viel geholfen.“ Am Ende haben sie mir erst richtig geholfen, als sie Geld mit mir verdient haben. Das ist das Unfaire an der Geschichte.

Wie wichtig ist Ihnen die angesprochene Kritik von außen?

Kristoffersen: Die Zuschauer sehen nur ein Prozent von mir. Sie sehen meine Rennen, sehen mich im Fernsehen. Aber sie sehen nicht mein tägliches Leben. Sie sehen nicht, wie viel ich seit meiner Jugend gearbeitet habe, um da zu sein, wo ich jetzt bin. Ich habe mit elf Jahren angefangen, zweimal täglich Trockentraining zu machen, als keine Schule war. Das machen nicht viele Elfjährige. Meine Eltern haben mehr riskiert, als sie sollten, damit ich ein erfolgreicher Skifahrer werden kann. Sie haben alle ihre Mittel in mich und meinen Bruder investiert. Ihr Ziel war, dass ich als gute Person aufwachse. Wie hart wir da gearbeitet haben, das weiß keiner. Und deswegen hat auch keiner das Recht, das zu kommentieren.

Auf eigenen Spuren: Norwegens Ausnahmekönner Henrik Kristoffersen ist Marcel Hirschers größter Konkurrent.
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Wollen Sie mit Ihrer Klage gegen den Verband auch Wegbereiter für Norwegens nächste Generation sein?

Kristoffersen: Auf jeden Fall. Es sollte ein System des Gebens und Nehmens sein. Das gilt für die Athleten wie für den Verband. Keiner darf alles haben. Auch der Verband darf nicht alles nehmen.

Ihr Landsmann und Teamkollege Aksel Lund Svindal zeigte sich sehr enttäuscht, dass er ab dieser Saison keinen eigenen Kopfsponsor haben darf ...

Kristoffersen: Red Bull ist einer der besten Sponsoren der Welt – und am Ende wollen wir alle die besten Athleten werden. Deshalb ist es eine Schande, was bei Aksel und mir abläuft. Aksel würde sich Unterstützung verdienen, ich würde es mir verdienen. Deshalb verstehe ich seine Enttäuschung gut.

Am Ende scheint Ihre Vorbereitung dennoch gut gewesen zu sein – wie sehr ist der Gesamtweltcup ein Thema?

Kristoffersen: Das ist sicher das größte Ziel. Ich will Marcel einen Kampf liefern und gewinnen.

Wird er als frischgebackener Vater vielleicht langsamer sein?

Kristoffersen: Das wird ihn nicht beeinflussen, dafür hat er zu viel Erfahrung (lacht). Marcel ist wieder der größte Favorit.

Sie teilen sich ja auch das Heimatbundesland Salzburg mit ihm, leben seit Jahren in der Hauptstadt. Fühlen Sie sich schon als Österreicher?

Kristoffersen: Ja! Ich habe mit Peter Schröcksnadel (ÖSV-Präsident, Anm.) zuletzt geredet, dass ich bald für Österreich fahren sollte, damit ich auch meinen eigenen Helmsponsor habe.

Ernsthaft ein Thema?

Kristoffersen: Nein, das war nur Spaß. In Salzburg zu leben, ist für mich einfacher, weil ich auf der Reiteralm trainiere.

An Hirschers Seite ...

Kristoffersen: Ja, meistens trainiert Marcel nebenan. Aber wir sind nur selten auf demselben Kurs unterwegs. Er zieht sein Ding durch, ich meins – am Schluss werden wir sehen, wer das bessere Ende für sich hat. Bisher war es ja immer Marcel.

Und was macht Sie heuer besser als Hirscher?

Kristoffersen: Gute Frage. Vielleicht der Hunger. Marcel hat jetzt siebenmal den Weltcup gewonnen, ich kein einziges Mal. Vielleicht spricht das für mich. Die Zeit wird uns zeigen, wer der Beste ist.

Das Gespräch führte Roman Stelzl