Angriff auf Synagoge mit elf Toten erschüttert die USA

Pittsburgh (Pennsylvania)/Washington (APA/AFP/dpa) - Wenige Tage nach einer Paketbombenserie gegen Trump-Kritiker hat ein Angriff auf eine S...

Pittsburgh (Pennsylvania)/Washington (APA/AFP/dpa) - Wenige Tage nach einer Paketbombenserie gegen Trump-Kritiker hat ein Angriff auf eine Synagoge mit vielen Toten die USA erschüttert. Bei der antisemitischen Gewalttat in der Tree-of-Life-Synagoge von Pittsburgh wurden am Samstag elf Menschen getötet. Der Schütze gab während der Tat antisemitische Parolen von sich. Der Angriff sorgte auch international für Bestürzung.

Gut eine Woche vor der Kongresswahl sehen sich die USA mit massiver politisch motivierter Gewalt konfrontiert. US-Präsident Donald Trump wird vorgeworfen, mit seiner aggressiven Rhetorik ein hasserfülltes Klima zu schüren.

Der Angreifer drang nach Angaben der Behörden am Vormittag mit einem Sturmgewehr und mindestens drei Pistolen bewaffnet in die Lebensbaum-Synagoge ein. Während einer Zeremonie zur Namensgebung für ein Baby am Sabbat eröffnete er das Feuer und tötete elf Menschen. Dabei soll er Medienberichten zufolge „Alle Juden müssen sterben!“ gebrüllt haben. Sechs weitere Menschen wurden verletzt, darunter vier Polizisten. Die Opfer waren nach Behördenangaben zwischen 54 und 97 Jahre alt.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich laut US-Medien um einen 46-jährigen Antisemiten aus Pittsburgh. Der Mann habe in dem jüdischen Gotteshaus in Pittsburgh „Äußerungen zu einem Genozid“ getätigt, sagte Scott Brady, Staatsanwalt für den Westen des US-Staates Pennsylvania, am Sonntag. Der Plan des Mannes sei es gewesen, „Juden zu töten“. Nach seiner Festnahme wurde der Schütze zunächst ins Krankenhaus eingeliefert. Das US-Justizministerium teilte mit, der Mann solle wegen mehrfachen Mordes und wegen antisemitisch motivierter Verbrechen angeklagt werden. Nach Angaben von US-Justizminister Jeff Sessions könnte ihm die Todesstrafe drohen.

Der Angriff in der Lebensbaum-Synagoge von Pittsburgh sei „wahrscheinlich“ der tödlichste antisemitische Anschlag der US-Geschichte, teilte die auf Beobachtung und Bekämpfung des Antisemitismus spezialisierten US-Organisation Anti-Defamation League (ADL) mit.

Trump verurteilte den Angriff. Es dürfe „keine Toleranz für den Antisemitismus“ oder andere Formen des Hasses auf Religionen geben, sagte der US-Präsident. „Diese bösartige antisemitische Attacke ist ein Angriff auf uns alle.“ Trump beklagte während eines Besuchs im Staat Indiana den „Hass“ in den USA. „Es ist eine schreckliche, schreckliche Sache, was den Hass in unserem Land betrifft“, sagte er. Er kündigte einen Besuch in Pittsburgh an und ordnete an, die Flaggen vor öffentlichen Gebäuden in den USA bis kommenden Mittwoch auf halbmast zu setzen. Nahe der Synagoge versammelten sich dutzende Einwohner zu einer Mahnwache.

Der mutmaßliche Angreifer soll der Verfasser einer Serie von antisemitischen Botschaften sein, die im bei weißen Nationalisten und Mitgliedern der rassistischen Alt-Right-Bewegung beliebten Onlinenetzwerk Gab.com veröffentlicht wurden - eine davon nur wenige Stunden vor dem Angriff auf die Synagoge.

In diesem Eintrag wird die jüdische Flüchtlingshilfeorganisation Hias angegriffen: „Hias holt gerne Eindringlinge, die unsere Leute töten. Ich kann nicht sitzen bleiben und zusehen, wie meine Leute abgeschlachtet werden. Scheiß auf Eure Sichtweise, ich gehe rein.“

Wie die „New York Times“ berichtete, schrieb der mutmaßliche Täter in einem Beitrag, er mache sich nichts aus Trump, weil dieser „ein Globalist ist, kein Nationalist“. Die USA könnten nicht wieder groß gemacht werden, so lange es eine jüdische „Verseuchung“ gebe, schrieb er demnach mit Hinweis auf Trumps Slogan „Make America Great Again“.

Pittsburghs Bürgermeister Bill Peduto forderte striktere Kontrollen beim Waffenbesitz. Es müsse darüber nachgedacht werden, wie denjenigen Waffen weggenommen werden könnten, „die ihren Hass durch Mord ausdrücken wollen“, sagte er. Der Angreifer besaß laut CNN seit Jahren einen Waffenschein. Gemäß eines Mitschnitts des Polizeifunks hatte der Mann ein Sturmgewehr und eine Glock-Pistole bei sich.

Der Angriff auf die Synagoge wurde auch international scharf verurteilt. „Wir müssen alles tun, um Antisemitismus entschieden zu bekämpfen“, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstagabend auf Twitter. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Ich trauere um die Toten von Pittsburgh, die offenbar Opfer von blindem antisemitischem Hass wurden.“ Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu äußerte sich erschüttert über die „schreckliche antisemitische Brutalität“ und bekundete die Solidarität seines Landes mit der jüdischen Gemeinde von Pittsburgh. Der Jüdische Weltkongress (WJC) zeigte sich schockiert. Bei dem Vorfall handle es sich um einen „abscheulichen Terrorakt“, sagte WJC-Präsident Ronald Lauder laut Mitteilung am Samstag in New York. „Das war ein Angriff nicht nur auf die jüdische Gemeinde, sondern auf ganz Amerika.“

Papst Franziskus rief dazu auf, Hass in der Gesellschaft einzudämmen. „In Wirklichkeit sind wir alle durch diesen unmenschlichen Akt der Gewalt verletzt“, sagte der Pontifex am Sonntag beim Angelusgebet in Rom. Ein „Sinn der Menschlichkeit“, „Respekt für das Leben“ und „moralische Werte“ müssten wiedergefunden werden. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) sprach von einem feigen und menschenverachtenden Angriff auf eine jüdische Gemeinde. Dieses Ereignis müsse ein „Weckruf“ sein. „Feindbilddenken droht den politischen Diskurs weltweit immer mehr zu vergiften und die Gesellschaft zu spalten“, betonte die IGGÖ in einer Stellungnahme.

Es handelte sich bereits um den zweiten politisch motivierten Gewaltakt, der die USA in der Schlussphase des Wahlkampfs für die Kongresswahlen am übernächsten Dienstag erschüttert. In den vergangenen Tagen waren 13 Briefbomben abgefangen worden, die an prominente Trump-Kritiker gerichtet waren. Der mutmaßliche Urheber der Sprengsätze, ein 56-jähriger Mann aus Florida, wurde am Freitag gefasst. Er ist ein glühender Trump-Anhänger.