Nach Hessen wird es in Berlin noch ungemütlicher

Berlin (APA/AFP) - Es wird noch ungemütlicher für die Große Koalition nach der Hessen-Wahl: Union und SPD haben deutlich Federn gelassen und...

Berlin (APA/AFP) - Es wird noch ungemütlicher für die Große Koalition nach der Hessen-Wahl: Union und SPD haben deutlich Federn gelassen und stürzen den Hochrechnungen zufolge jeweils um rund zehn Prozentpunkte ab.

Zwar ist für die CDU die ganz große Katastrophe ausgeblieben: Ministerpräsident Volker Bouffier kann im Amt bleiben, was der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Atempause in den Auseinandersetzungen der Union verschafft. Doch insbesondere die Schlappe der SPD wird die „GroKo“ erneut erschüttern.

Merkel dürfte es für sich verbuchen, dass sich Bouffier trotz des miserablen Erscheinungsbildes der Berliner „GroKo“ im Amt halten kann. Denn aus dem einstigen innenpolitischen Hardliner ist längst ein schwarz-grüner Landesvater geworden, der sich eher in der Mitte positioniert und bei den Rivalitäten in der Union eine Stütze für die Kanzlerin ist.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt sich denn schon kurz nach Schließung der Wahllokale erleichtert darüber, dass der Merkel-Gefolgsmann Bouffier seinen Sessel in der Wiesbadener Staatskanzlei nicht räumen muss - auch wenn sie von einem „schmerzhaften“ Ergebnis spricht.

Da spielt es dann offenbar keine allzu große Rolle mehr, ob es im neuen Landtag wieder für Schwarz-Grün reicht oder die FDP für ein Jamaika-Bündnis mit ins Boot geholt werden muss - was zunächst noch offen war. „Bouffier bleibt im Amt“ ist die zentrale Botschaft der Bundes-CDU. Denn das gibt den Merkel-Kritikern zumindest keinen Auftrieb.

Weitaus schwieriger ist die Lage für die SPD: Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hat inzwischen Übung im Reagieren auf Misserfolge. Doch der Einbruch bei den Wählerstimmen in Hessen ist für sie in mehrfacher Hinsicht besonders bitter: Mit kaum 20 Prozent bleibt sie noch hinter ihrem bisherigen Rekordtief von 2009 zurück, als die Sozialdemokraten auf 23,7 Prozent gekommen waren.

Zum anderen wurde dem hessischen SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel bescheinigt, im Wahlkampf keine schlechte Figur gemacht zu haben. Somit dürfte die Schlappe vom Sonntag zu einem großen Teil Nahles und der Berliner Regierungspolitik angelastet werden.

„Ich bin mir recht sicher, dass die Berliner Situation eine deutliche Rolle gespielt hat“, räumt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kurz nach Schließung der Wahllokale kleinlaut ein. Nahles versucht erst gar nicht, die Schlappe Schäfer-Gümbel in die Schuhe zu schieben. Der habe „nichts falsch gemacht“, lobt sie den Kandidaten, und verweist auf die Berliner Verhältnisse.

Und natürlich weiß die SPD-Vorsitzende ganz genau, dass das Resultat von Wiesbaden all jene auf den Plan rufen wird, die die Neuauflage der „GroKo“ von Anfang an nicht gewollt hatten: Die Parteilinke Hilde Mattheis hatte schon vor dem Wahlabend die Parole ausgegeben, in einer Mitgliederbefragung solle über das Schicksal der „Groko“ abgestimmt werden. Derlei Stimmen werden nun gewiss nicht verstummen.

Doch von größeren Konsequenzen will die SPD am Wahlabend nichts wissen: Für die angestrebte Erneuerung der gebeutelten Partei greife es zu kurz, „einfach nur raus“ zu fordern, hält Generalsekretär Klingbeil den Kritikern entgegen. Nahles selbst übt sich in der Flucht nach vorn und deutet eine beschleunigte Erneuerung an: Die Partei habe sich für die Neuaufstellung viel Zeit nehmen wollen, sagt sie und fügt hinzu: „Ich stelle fest, diese Zeit haben wir nicht.“

Für die „GroKo“ fordert die bedrängte Parteichefin einen Fahrplan ein, von dessen Umsetzung dann abhängen soll, „ob wir in dieser Regierung noch richtig aufgehoben sind“. Regieren mit Zuversicht hört sich anders an. Doch die Berliner Genossen wissen auch, dass es nach allen Meinungsumfragen bei Neuwahlen im Bund für die SPD noch schlimmer kommen dürfte als am Sonntag in Hessen.