Ergreifendes Stimmungsbild von der Front
Uraufführung von Norbert Zehms Kammeroper „Strange Meeting“. Ein blendendes Ensemble vermittelt den Irrsinn des Krieges.
Von Markus Schramek
Innsbruck –Die Hölle auf Erden: Soldaten in Schützengräben, umgeben von Fäulnis, Angst und Tod. Das donnernde Grollen von Geschützfeuer stets im Ohr. Mit dem Bestatten gefallener Kameraden kommt man kaum nach in den letzten Tagen des 1. Weltkriegs im November 1918.
Der englische Lyriker Wilfred Owen hat, ähnlich wie der Österreicher Georg Trakl, soldatisches Grauen in Worte gefasst. Owens Gedicht „Strange Meeting“ erzählt vom gespenstischen Aufeinandertreffen zweier Soldaten. Der eine tötete den anderen. Ums Leben kommen aber beide. Auch Owen selbst ereilte dieses Schicksal. Er starb 1918 mit 25 Jahren knapp vor dem Waffenstillstand kämpfend in Nordfrankreich.
Der Tiroler Komponist Norbert Zehm hat „Strange Meeting“ zur Kammeroper umgearbeitet. Am Sonntag, dem Jahrestag des Kriegsendes vor 100 Jahren, wurde diese im ORF-Studio 3 halbszenisch uraufgeführt. Ein Wagnis, denn Owens Gedicht und sämtlicher Text von Librettist Peter Wolf wurden auf Englisch belassen. Doch Textverständnis kann nebensächlich sein, wenn Darstellung (Regie: Alexander Medem) und Musik Stimmung vermitteln. Und das gelang ungemein.
Der britische Schauspieler Brett Fancy übernahm als Erzähler die Führungsrolle. Militärischer Umgangston und Drill, wachsende Umnachtung, Hoffnungslosigkeit – auch wenn das fremdsprachliche Verstehen an Grenzen stieß, bei Fancy wusste man, wovon er erzählte.
In blendender Verfassung auch das singende Personal. Countertenor Arno Raunig schwebte mit hohen Tönen wie ein geisterhaftes Wesen über dem Schlachtfeld. Martin Lechleitner (Tenor) und Martin Achrainer (Bariton) matchten sich als Offiziere zwischen sinnlosem Gehorchen und zum Scheitern verurteilter Rebellion. Kathrin Walder (Mezzosopran) und Ute Ziemer (Sopran) verliehen dem bangen Warten von Frauen in der Heimat markant-eindrückliche Stimmen: Keine Nachricht von der Front sei besser als eine schlechte.
Das Tiroler Ensemble für Neue Musik (TENM) sorgte unter Dirigent Claudio Büchler für den idealtypischen Sound. Dämonisch, sinister, manchmal zackig, stets unheilvoll. Es war ein modernes Opernerlebnis im Kleinen – dicht, fesselnd und nahegehend. Ein Stimmungsbild, das lange nachwirkte.