Tirol

Wenn junge Menschen einen Bauernhof übernehmen wollen

Mitarbeiter von der Initiative "Perspektive Landwirtschaft" nehmen eine Bodenprobe.
© Agnes Neubauer

Einen Hof an Außenstehende weiterzugeben, ist in Tirol oft ein Tabu. Dabei gibt es Interessenten und Initiativen, die Lösungen anbieten.

Von Sabine Strobl

Innsbruck – Jeden Tag schließen Bauernhöfe, immer mehr stehen leer oder werden zum Freizeitwohnsitz. Auf der anderen Seite finden junge Leute kein passendes Objekt. „Die außerfamiliäre Hofübergabe in Österreich ist ein riesengroßes Projekt“, sagt Julianna Fehlinger von der österreichischen Berg- und Kleinbauern Vereinigung Via Campesin­a. „Auch in Tirol gibt es Hof­suchende.“

Einer von ihnen ist Thomas. Der 26-Jährige und seine Freundin leben und arbeiten im Großraum Innsbruck und suchen ebendort einen Hof. Inserate und Anfragen bei der Bauernkammer blieben erfolglos. Jetzt nimmt er an der österreichischen Plattform „Perspektive Landwirtschaft“ teil, die bei außerfamiliären Hofübergaben vermittelt. Zum Brotberuf dazu absolvierte Thomas die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter, ihm schwebt eine nachhaltige Milchwirtschaft im Nebenerwerb vor. Aber es ist schwierig, in Tirol einen Hof zu finden und zu kaufen. Warum das junge Paar eine Landwirtschaft betreiben will? „Ich bin auf einem Hof und mit Tieren aufgewachsen. Landwirtschaft muss man mit Herzblut betreiben. Ich hege diesen Traum nach wie vor.“ Sein­e Beobachtung. „Wenn sich jemand in einer Region entschließt, den Hof außerfamiliär zu vergeben, dann trauen sich andere in der Umgebung auch“. Andere Bundeslände­r seie­n hier offener.

Christoph ist 20, aus dem Bezirk Kitzbühel, und hat seine Fühler nach Vorarlberg ausgestreckt. Ein alleinstehender Bauer möchte seinen Biobetrieb übergeben. Zehn Tage haben die beiden Männer bereits miteinander gearbeitet. Christoph wuchs auf einem Hof auf, der in seiner Familie bald an den älteren Bruder übergeben wird. Seinen künftigen Hof würde er als Vollerwerbsbauer führen. „Körperliche Arbeit und der Umgang mit Tieren machen mir einfach Spaß.“

Die Initiative „Per­spektiv­e Landwirtschaft“, unterstützt von Via Campesina und der Kammer sowie und mit einem Innovationspreis ausgezeichnet, ist jetzt ein Jahr alt. Derzeit sind 27 Bauern, die übergeben wollen (keiner aus Tirol), und 75 Hofsuchende registriert. Für einige Bauern wurde bereits eine Lösung gefunden. „Eine Hofübergabe ist ein langer Prozess, der ein bis fünf Jahre dauert. Ziel ist, dass der Betrieb weiterhin landwirtschaftlich geführt wird. Wenn es in der Familie keine Hofnachfolge gibt, kann eine außerfamiliäre Hofübergabe das Fortbestehen des Hofes sichern“, erklärt Margit Fischer von der Initiativ­e. Das kleine Team besucht die Höfe, vermittelt zwischen Übergeber und Suchenden, die Quereinsteiger, Bauernkinder oder Teams sein können. Man lernt einander kennen, arbeitet zusammen, man diskutiert Kauf, Wohnrecht oder Leibrente.

Der Leerstand von Höfen bereitet vielen Kopfzerbrechen. Zuerst hofft ein älteres Ehepaar noch, dass Kinder den Hof übernehmen, dann werden Flächen verpachtet, das Gerät nicht gewartet, der Kundenstock bröckelt ab. Irgendwann steht der Hof leer. „Einen leerstehenden Hof wiederzubeleben, ist sehr aufwändig“, kommentiert Fehinger den Kreislauf. Man müsste lange vor dem Ruhestand Überlegungen anstellen.

„Es ist ein Vorurteil, dass junge Menschen nicht mehr steile Wiesen mähen möchten“, weiß Ernst Steinicke vom Institut für Geografie in Innsbruck. Es besteht Interesse. Das zeigten Untersuchungen im Friaul, Belluno, Pustertal und Osttirol.

Auf vergleichende Gebirgsforschung spezialisiert, kennt er auch die Problematik der Nachfolge und die Sorgen von Bürgermeistern und Raumplanern. Derzeit untersucht ein Diplomand das Osttiroler Villgratental. „Künftige Leerstände müssten aber in einem viel größeren Rahmen durchleuchtet werden“, mahnt der Geograph. Forschungsgelder dafür würden aber kaum bereit gestellt werden.

Globale Gier, lokale Anwort

Innsbruck, Stumm – FIAN Österreich (Int. Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung) und die Vereinigung Via Campesin­a sind Mitveranstalter der Filmtage „Hunger.Macht.Profite“ vom 28. bis 30. November in Tirol. Zu sehen sind die Filme „Rotes Gold“ (Tomatenmarkfabriken), „Kein Fluss, kein Meer“ (Initiative von Fischern in Brasilien) in Innsbruck und „Das grüne Gold“ (über Landraub) in Stumm. Anschließend finden Diskussionen mit lokalen Experten statt. www.hungermachtprofite.at

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