Da ist keine Musik drin: Anna Stockhammers Buch-Debüt „Jan“
Bregenz (APA) - Jungen Autoren eine Chance zur Veröffentlichung ihrer Texte zu bieten, ist eine lobenswerte Sache. Allerdings hat der Sisyph...
Bregenz (APA) - Jungen Autoren eine Chance zur Veröffentlichung ihrer Texte zu bieten, ist eine lobenswerte Sache. Allerdings hat der Sisyphus-Verlag sich und der erst 21-jährigen, in Wien lebenden Anna Stockhammer mit „Jan“ keinen Gefallen getan. Wer die vom Verlag angekündigte „Achterbahnfahrt durch die Welt der Musik“ erwartet, wird wohl angesichts der sprachlichen und inhaltlichen Defizite enttäuscht sein.
Die Geschichte des Erstlings könnte schon etwas hergeben: Jan, ein junger Mann, der nach tiefer persönlicher Krise versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen, arbeitet als Praktikant bei einem Wiener Magazin. Er recherchiert für einen Artikel zu der Frage, was Musik den Menschen bedeutet. Sie hat die Kraft, Leben zu verändern, ist er überzeugt. In Interviews will er dem auf den Grund gehen. Die Adressen seiner Interviewpartner bezieht er von einer Unterschriftenliste, mit der gegen den Abriss des Tonstudios protestiert wird, das sein bester Freund betreibt. Neben seiner eigenen Vergangenheit bedrücken Jan Beziehungsprobleme mit seiner Freundin, die mit ihrer Drogensucht zu kämpfen hat.
Er trifft bei seinen Interviews unter anderen die einsame Ehefrau eines Musikstars, einen Arzt, der ihn unter Drogen setzt, einen Musikmanager, der von Musik nichts versteht, und eine Garagenband, die mit der österreichischen Musikszene abrechnet („Die Leute sollen die Wahrheit erfahren.“). Leider bleibt die 1997 geborene Autorin, die Volksschullehramt studiert, dabei an der Oberfläche, ihre Figuren sondern Allerwelts-Plattitüden ab: Ja, Musik vereint die Menschen, bedeutet für viele Freiheit, baut auf und kann helfen, Rückschläge zu verkraften.
Literatur kann das auch, aber nicht, wenn sie so daherkommt: Gesprächspartnerin Sophie berichtet beispielsweise über Festivals: „Es spielen wahnsinnig viele Bands, und es gibt so viele andere coole Sachen, die man machen kann.“ und „Es ist einfach immer laut auf einem Festival, egal wo du bist“. Stoff für die große Story ist das nicht, aber Jan ist von diesen Sätzen sehr beeindruckt, sein Stift „rast über das dünne Papier“. Auch die Liebesgeschichte, in der zwei Haltlose aneinander Halt zu finden versuchen, erstickt in unnötiger Dramatik.
Die Dialoge wirken unbeholfen, dazu kommen weitere sprachliche Mängel: So schlägt dem Protagonisten beispielsweise beim Hinausgehen der Regen ins Gesicht „wie traurige Peitschenhiebe, regelmäßig und fordernd“ oder an anderer Stelle: „Ein neugieriges Glitzern stiehlt sich in seine grellen Augen“. Von hoher ästhetischer Qualität kann man da nicht sprechen. Zu viele Adjektive und unnötig detailreiche Beschreibungen - etwa ist dem reichlich uninteressanten Weg Jans vom Büro in die Kantine eine ganze Seite gewidmet (und welche Funktion hat so eine Beschreibung?) - lassen dem Leser keinerlei Spielraum und langweilen.
Anna Stockhammer, die seit ihrem 14. Lebensjahr schreibt, zieht nach eigenen Angaben ihre Hauptinspiration aus Konzertbesuchen. Man spürt ihr Bemühen, sich dem gewählten Thema annähern zu wollen, ihre Liebe zur Musik und glaubt ihr auch die Freude am Schreiben. Doch mit der Versprachlichung ihrer vielleicht auch eigenen Erfahrungen tut sich die Autorin schwer. Die Beweggründe des Verlags, das Buch ins Programm zu nehmen, bleiben unklar. Der Verlagswerbung - „Eine neue, junge Stimme in der Literatur“ - kann man jedenfalls nicht beipflichten.
(S E R V I C E - Anna Stockhammer: „Jan“. Sisyphus Verlag, 192 Seiten, 14,80 Euro)