Der Erzählkünstler mit dem Zappa-Bärtchen: T.C. Boyle wird 70
Berlin (APA/dpa) - Unter den US-Schriftstellern gehört er schon lange zu den ganz Großen. Kritiker loben sein erzählerisches Talent, Million...
Berlin (APA/dpa) - Unter den US-Schriftstellern gehört er schon lange zu den ganz Großen. Kritiker loben sein erzählerisches Talent, Millionen von Lesern schätzen seine spannenden Plots und ausgefallenen Ideen. Mit ungewöhnlichen, manchmal etwas exzentrischen Figuren der Geschichte hat sich Boyle immer schon gerne beschäftigt. Am 2. Dezember wird er 70 Jahre alt.
In seinem Debütroman „Wassermusik“ (1982) ging es um den britischen Afrika-Forscher Mungo Park. „Willkommen in Wellville“ (1993) drehte sich um den Gesundheitsapostel John Harvey Kellogg, den Erfinder der Erdnussbutter und der Cornflakes. „Dr. Sex“ (2005) stellte den Egomanen und amerikanischen Sexualforscher Alfred Kinsey in den Mittelpunkt. In „Die Frauen“ (2009) beleuchtete Boyle den legendären Architekten Frank Lloyd Wright aus der Perspektive von vier Frauen aus dessen Leben. „Wassermusik“ ist ihm persönlich am liebsten. „Es ist ein wilder, weitausholender Roman, ein Taumeln entlang des Abgrunds“, beschreibt Boyle seinen Erstling.
Der berühmte Autor mit Frank-Zappa-Bärtchen und der immer leicht ungebändigten Frisur ist als Thomas John Boyle im Bundesstaat New York groß geworden. Sein Vater war Busfahrer, seine Mutter Sekretärin - beide waren Alkoholiker. Mit 17 nahm er den Namen Coraghessan eines irischen Vorfahrens an, die meisten Leser kennen ihn nur als „T.C.“. Boyle studierte Englisch und Geschichte und arbeitete eine zeitlang als Lehrer.
Nach der Aufnahme in den renommierten „Writers Workshop“ an der Universität in Iowa promovierte er und ging 1978 an die University of Southern California in Los Angeles. Dort unterrichtete er 37 Jahre lang Kreatives Schreiben. Heute lebt er mit seiner Familie im eher ruhigen Santa Barbara, zwei Autostunden nördlich von Los Angeles, in einem von Frank Lloyd Wright erbauten Haus mit vielen riesigen Fenstern.
Boyle hat seit den frühen 80er Jahren 17 Romane und Dutzende von Kurzgeschichten geschrieben. Seine Bücher wurden in 29 Sprachen von Hebräisch bis Koreanisch übersetzt - ein Großteil seines Werks auch auf Deutsch. Jüngster Beleg dafür, dass er auch ein Meister der kleinen Form ist, ist der Band „Good Home“ mit Geschichten aus den zurückliegenden 15 Jahren, erst Anfang 2018 beim Hanser Verlag erschienen.
Seinen neuesten Roman „Das Licht“ hat T.C. Boyle dem Guru der Hippie-Bewegung Timothy Leary gewidmet, der für den freien Zugang zu Drogen wie LSD kämpfte. Dazu passt das psychodelisch wirkende Cover der deutschsprachigen Ausgabe, die im Jänner erscheint - noch vor der amerikanischen. Trotz seiner Faszination für Timothy Leary spielen harte Drogen für ihn selbst heute keine Rolle mehr, wie Boyle sagt, der alle möglichen Drogen selbst ausprobiert hat. LSD habe er nicht mehr genommen, seit er in seinen 20ern war.
Und wann will er in Rente gehen? „Wenn mein Gehirn abstirbt“, sagt der Schriftsteller, der noch einiges vor hat. Zurzeit recherchiert er bereits für seinen nächsten Roman. Schreiben ist für Boyle wie eine Sucht - außer wenn er auf Lesereisen geht, arbeitet er praktisch jeden Tag.
Die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA verfolgt er mit viel Wut im Bauch: „Ich verabscheue Trump und alles, was mit ihm zu tun hat“, sagt Boyle. „Er steht für das Schlimmste an Amerika, an der ganzen Menschheit.“ Vielleicht wird daraus mal ein Roman.