Genetisch veränderte 2 - He Jiankui: „Fühle große Verantwortung“
Peking/Wien (APA) - China ist im internationalen Vergleich vehement dabei, die CRISPR/Cas9-Genscheren-Methode in der Medizin zu etablieren. ...
Peking/Wien (APA) - China ist im internationalen Vergleich vehement dabei, die CRISPR/Cas9-Genscheren-Methode in der Medizin zu etablieren. Von im Frühjahr dieses Jahres 15 international bekannt gewordenen klinischen Studien für die Erprobung neuer Therapien auf der Basis des Verfahrens an Patienten liegen elf in China und vier in den USA. Aus Europa war keine einzige derartige Forschungsarbeit bekannt.
He Jiankui von der chinesischen Universität äußerte sich auf „YouTube“ zu seinen Versuchen mit dem Gen-Editieren in der menschlichen Keimbahn so: „Ich fühle eine starke Verantwortung. Es ging nicht darum, der Erste zu sein. Es ging darum, ein Beispiel zu setzen. (...) Wenn ich es nicht bin, hätte es jemand anderer getan. (...) Der Eingriff gelang so sicher wie geplant.“ Sowohl vor der Implantation der befruchteten und genetisch veränderten Eizellen im Rahmen der IVF als auch nach der Geburt der beiden Mädchen wäre deren Genom durchsequenziert worden. Dabei hätten sich keine anderen Mutationen als die geplanten gezeigt - eben die Entfernung des Gens für den CCR5-Rezeptor, was HIV-Resistenz vermittelt.
„Diese Gen-Chirurgie ist eine Weiterentwicklung der In-Vitro-Fertilisierung. Sie ist nur als Hilfe für eine kleine Zahl von Familien geplant“, sagte der chinesische Wissenschafter. Es ließen sich möglicherweise auch die Anlagen für vererbbare Erkrankungen wie zystische Fibrose etc. beseitigen. „Die Eltern wollen keine Designer-Babys“, sagte He Jiankui. Es gehe darum, dass sie gesunde Kinder bekommen wollten. „Designer-Babys“ bezüglich äußerer Merkmale - das sollte verboten sein.
Die klinische Studie rund um HIV/Aids mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren klingt oberflächlich aufregend, ist es aber als „Therapie“ nicht. Immer mehr Paare, bei denen ein Partner HIV-positiv ist, bekommen Kinder. Mit den modernen Behandlungsmethoden lässt sich eine Schwangerschaft ohne HIV-Risiko erreichen. Ein Infektionsrisiko während des Geburtsvorganges ist durch die begleitende Behandlung ebenfalls verhinderbar.
Bisher wurde das Editieren von Genen bereits an mehr als 245 Spezies erprobt. Bereits in der Humanmedizin eingesetzt wird CRISPR-Cas-9 für die Produktion von chimären Antigen-Rezeptor-Zellen (CAR-T-Zellen) zur Behandlung von Blutkrebs. Man kann davon ausgehen, dass rund 6.000 Erkrankungen mehr oder weniger genetisch bedingt seien. Damit wäre das potenzielle Anwendungsgebiet für das gezielte Editieren von Genen allein schon in der Medizin enorm. Das geht von Morbus Alzheimer, über Morbus Huntington, Parkinson, Hämophilie B bis zur zystischen Fibrose. Besondere Hoffnungen macht man sich derzeit bei der Sichelzell-Anämie, deren Ursache in einer einzigen Punkt-Mutation der DNA liegt. Das alles aber sind Therapieverfahren für bereits vorliegende Erkrankungen ohne Eingriffe in die Keimbahn.
Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) beruft sich hinsichtlich der neuen Möglichkeiten des Genome Editing auf die im Gentechnikgesetz (GTG) festgelegten Grundsätze: Bei genetischen Analysen und Gentherapien an Menschen unterstütze er das „ethische Prinzip“, wonach „auf die Wahrung der Menschenwürde bedacht zu nehmen ist“ und der Verantwortung des Menschen für Tier, Pflanze und Ökosystem Rechnung zu tragen sei. Das erklärte Faßmann in einer aktuellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von Claudia Gamon (NEOS) über Genome Editing durch CRISPR/Cas9.