Sabotage-Buch: Politik und Wirtschaft manipulieren wie im Weltkrieg

Wien (APA) - Wie verbreitet man Gerüchte am besten? Was macht ein gutes Gerücht aus und wie gelingt es, mit einfachsten Mitteln den Gegner z...

Wien (APA) - Wie verbreitet man Gerüchte am besten? Was macht ein gutes Gerücht aus und wie gelingt es, mit einfachsten Mitteln den Gegner zu sabotieren? Diese und ähnliche Fragen beantworten zwei während des Zweiten Weltkriegs herausgebrachte Leitfäden des CIA-Vorgängers OSS. Im Czernin-Verlag sind sie nun in Buchform erschienen. In ihrer Brisanz haben sie bis heute nichts eingebüßt.

„Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, aber viele Maßnahmen nicht“, verwies der Historiker und Politologe Florian Wenninger im APA-Gespräch auf die Aktualität der Leitfäden zur psychologischen Kriegsführung und Sabotage. „In Wirtschaft und Politik beobachten wir heute vielfach Strategien und Taktiken, die eine große Ähnlichkeit mit Konzepten der psychologischen Kriegsführung aufweisen, wie sie im Zweiten Weltkrieg erstmals systematisch entwickelt wurden.“

Gemeinsam mit Jürgen Pfeffer, Professor für Computational Science und Big Data an der Technischen Universität (TU) München, hat er das Handbuch „Sabotage und psychologische Kriegsführung“ herausgegeben und historisch eingebettet. Das Buch, in dem die beiden OSS-Leitfäden erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht werden, wird heute, Dienstagabend, in Wien präsentiert.

Anders als in den 1940er-Jahren - damals nutzten die Amerikaner das Defizit verlässlicher Informationen der deutschen Bevölkerung für ihre Zwecke - herrsche heute ein Informationsüberangebot. „Trotzdem gelingt Desinformation in vielen Fällen in noch wesentlich umfassenderem Sinn“, ortet Wenninger eine Krise der Demokratie. Was in den digitalen Medien passiere, sei keine erzwungene, sondern eine freiwillige Abschottung, spielte der Historiker auf die etwa bei Facebook oder Google angewandten Algorithmen an, die dem User vornehmlich Inhalte zeigen, die mit seiner Weltauffassung übereinstimmen. Möglich wurde das erst, „weil es gelungen ist, klassische Medien per se zu diffamieren, als Fake News und so weiter“, sagte Wenninger.

Zwar überwiege - betrachtet nach finanziellen Gesichtspunkten - die Desinformation aufgrund wirtschaftlicher Interessen, „das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es nicht gezielte, politisch motivierte Desinformation gibt. Selbstverständlich gibt‘s die“, nannte Wenninger das erst kürzlich viel diskutierte Video der FPÖ zum E-Card Missbrauch als Beispiel, das sich rassistischer Klischees bedient. Sein Buch sieht der Politologe deshalb neben der interessanten historischen Aspekte auch als Aufklärung und möglichen „Beitrag zur geistigen Selbstverteidigung“.

„Um die Mechanismen deutlich zu machen, die hier wirken, ist es hilfreich sich die Überlegungen der Profis anzusehen, auch wenn diese mitunter ein bisschen aus der Zeit gefallen wirken“, sagte Wenninger. Denn Taktik und Strategie der psychologischen Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg seien doch der Ausgangspunkt für sämtliche Weiterentwicklungen bis heute.

Angst, dass die im Buch beschriebenen Anleitungen und Techniken missbraucht werden könnten, hat der Herausgeber nicht. „Die, die es anwenden, wissen ohnehin, wie es funktioniert“, argumentierte Wenninger.

(S E R V I C E - Florian Wenninger, Jürgen Pfeffer: „Sabotage und psychologische Kriegsführung. Ein Handbuch“, Czernin Verlag, 192 S., 19 Euro)