Kein Ende beim Afghanistan-Konflikt in Sicht - Fragen & Antworten

Kabul (APA/dpa) - Rund alle zwei Jahre finden internationale Afghanistan-Konferenzen statt. Die am Dienstag beginnende Konferenz in Genf wir...

Kabul (APA/dpa) - Rund alle zwei Jahre finden internationale Afghanistan-Konferenzen statt. Die am Dienstag beginnende Konferenz in Genf wird von den Vereinten Nationen und der afghanischen Regierung ausgerichtet. Dort will die afghanische Regierung ihre Reformbemühungen präsentieren. Auch die Themen Sicherheit und Frieden werden eine prominente Rolle spielen. Die grundlegenden Fragen zum Afghanistan-Konflikt:

Wer sind die wichtigsten Akteure im Afghanistan-Konflikt?

Auf der einen Seite steht die afghanische Regierung, unterstützt von internationalen Truppen aus 41 Ländern. Diese beraten die afghanischen Streitkräfte und bilden sie aus. Ihnen gegenüber stehen die radikalislamischen Taliban, die mit Abstand größte Gruppe Aufständischer im Land. Ihre Agenda ist es, Afghanistan zu beherrschen. Zugleich ist die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) seit Anfang 2015 in Afghanistan präsent, will dort und auf pakistanischem Gebiet eine „Provinz“ namens IS-Khorasan etablieren und hat seither zahlreiche Anschläge vor allem auf schiitische Ziele verübt.

Wie sieht die Sicherheitslage im Land aktuell aus?

Die Sicherheitslage hat sich seit Ende der NATO-Kampfmission im Dezember 2014 drastisch verschlechtert. Die Regierung kontrolliert nach Angaben von afghanischem und US-amerikanischem Militär nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bezirke im Land. In einzelnen Provinzen, etwa dem westlichen Farah, kontrolliert Kabul inzwischen praktisch nur noch ein Gebiet im Umkreis von fünf Kilometern rund um die gleichnamige Provinzhauptstadt.

Wo spielt sich der Krieg ab?

Die Provinzen Nangarhar und Kabul stehen wegen der vielen Anschläge an der Spitze der Statistiken über zivile Opfer. Seit Jänner gab es in der Hauptstadt 20 große Anschläge. Dabei wurden fast 500 Menschen getötet und weitere fast 950 Menschen verletzt. Zu dem Großteil der Anschläge bekannte sich der IS. Die Taliban distanzieren sich seit mehreren Monaten von Anschlägen auf Zivilisten. Es gibt Spekulationen, dass sie von Selbstmordattentaten in großen Städten absehen, während sie Gespräche mit den USA über mögliche Friedensverhandlungen ausloten. Zugleich greifen sie aber mittlerweile mehrmals wöchentlich Militär- und Polizeibasen im ganzen Land an und töten dabei Dutzende Sicherheitskräfte. Militärkreisen zufolge sterben täglich rund 35 Polizisten und Soldaten.

Wer hat militärisch die Oberhand?

Die militärische Initiative liegt bei den Taliban, die afghanischen Streitkräfte sind stark in die Defensive geraten. Kürzlich hatte der US-Generalstabschef Joseph Dunford bei einem Sicherheitsforum in den USA gesagt, die Taliban würden „nicht verlieren“. Die Amerikaner hätten vor einem Jahr von einem militärischen Patt gesprochen, und daran habe sich nicht viel geändert.

Unter internationalen Diplomaten wird bereits eine militärische Niederlage eingestanden. Der Krieg in Afghanistan sei verloren, ist dort zu hören. Nun müsse man zusehen, dass es so schnell wie möglich zu einem Friedensschluss komme - denn je länger eine Einigung ausbleibe, desto mehr spitze sich die Lage zu und desto weniger Einfluss habe die afghanische Regierung in etwaigen Verhandlungen darüber, wie das Land in Zukunft aussehen solle.

Was wird politisch getan, um den Konflikt zu lösen?

Offenbar gibt es großen Druck aus dem Weißen Haus, den Konflikt beizulegen. Der US-Sondergesandte für die Aussöhnung in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, soll von der Administration von US-Präsident Donald Trump bis zum Frühjahr Zeit bekommen haben, Resultate vorzulegen. Seit seiner Ernennung im September spult er ein intensives Reiseprogramm in der gesamten Region ab, um alle Interessensgruppen zusammenzuführen. Auch Moskau veranstaltete kürzlich Afghanistan-Gespräche, an denen eine Delegation der Taliban teilnahm.

Gibt es bei den Gesprächen Fortschritte?

Seit Juli haben laut Taliban-Angaben drei Runden an Vorgesprächen zu Friedensverhandlungen zwischen hochrangigen US-Delegationen und Vertretern des politischen Büros der Taliban im Golfemirat Katar stattgefunden. Das jüngste Treffen Mitte November habe sogar drei Tage gedauert. Hierbei handelt es sich um Kehrtwende in der Politik der USA, die davor stets darauf bestanden hatten, der Friedensprozess müsse unter afghanischer Führung stattfinden. Der US-Sondergesandte Khalilzad zeigte sich kürzlich „trotz Herausforderungen und Schwierigkeiten vorsichtig optimistisch oder hoffnungsvoll“.

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani hat Ende November begonnen, einen „Beirat für Frieden“ aufzustellen, der die Regierung auf dem Weg zu Verhandlungen mit den Taliban beraten soll. Allerdings lehnen die Taliban Gespräche mit der afghanischen Regierung ab - diese betrachten sie als „Marionetten-Regime“.

Ist die Sicherheitskrise denn die einzige Krise im Land?

Bei weitem nicht, Ghanis Regierung ist stark zerstritten. Das behindert Reformen. Das Wirtschaftswachstum betrug laut Weltbank im Vorjahr 2,6 Prozent - ein Wert, der lange nicht reicht, um die jährlich 400.000 auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen in Jobs zu bringen. Die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, ist auf 55 Prozent gestiegen. Das Land wird weiter von hoher Korruption und einem geringen Vertrauen in den Rechtsstaat geplagt.