Brexit - Rückzieher möglich? EuGH-Verfahren geht in die Schlussphase

Luxemburg (APA/dpa/AFP) - Könnte Großbritannien die EU-Austrittserklärung theoretisch einseitig zurücknehmen? Mit dieser Frage muss sich jet...

Luxemburg (APA/dpa/AFP) - Könnte Großbritannien die EU-Austrittserklärung theoretisch einseitig zurücknehmen? Mit dieser Frage muss sich jetzt ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) beschäftigen. Wie der EuGH am Dienstag nach einer öffentlichen Anhörung zum Thema mitteilte, wurde der spanische Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona mit der Erstellung der juristischen Analyse beauftragt.

Auf dieser Basis will der EuGH dann eine abschließende Entscheidung treffen - wenn möglich bereits vor der Brexit-Abstimmung im britischen Parlament am 11. Dezember. Hintergrund des Verfahrens ist nach Angaben des EuGH eine Anfrage des obersten schottischen Zivilgerichts (Court of Session), das von Mitgliedern des schottischen Parlaments, des britischen Parlaments und des Europaparlaments angerufen wurde.

Die Abgeordneten wollen wissen, ob es neben der parlamentarischen Zustimmung zum Austrittsvertrag oder einem EU-Austritt ohne Austrittsvertrag theoretisch noch eine dritte Alternative gibt. Die wäre die Rücknahme der Brexit-Erklärung und der Verbleib in der EU.

„Es ist wesentlich (...), dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, seinen EU-Austritt ohne einstimmige Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten zurückzunehmen“, sagte Anwalt Aidan O‘Neill für die schottischen Abgeordneten. Sein Kollege Gerry Facenna, der britische Parlamentarier vertrat, betonte, die Frage erledige sich nicht schon mit der Abstimmung im Unterhaus am 11. Dezember. Denn diese sei erst „der Anfang eines Verfahrens“ zur Ratifizierung.

„Das Vereinigte Königreich hat nicht die Absicht, die (Austritts-)Mitteilung zurückzunehmen“, sagte der Vertreter der britischen Regierung, Richard Sanderson Keen. Sei die „Büchse der Pandora“ einmal geöffnet, sei es „immer schwierig, sie zu schließen“. Er warf den Beschwerdeführern vor, sie wollten lediglich „politische Munition, um Druck auf das britische Parlament auszuüben“. Er forderte den Gerichtshof auf, den Fall für nicht zulässig zu erklären.

Die EU-Kommission warnte vor „Chaos“, sollte das EU-Gericht die Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme der Austrittserklärung eröffnen. Der Vertreter des EU-Rates, Hubert Legal, sprach mit Blick auf die geplante Brexit-Abstimmung im britischen Parlament von „einem internen Verfahren eines Mitgliedstaates“.

Im britischen Unterhaus wird nach derzeitiger Planung am 11. Dezember über den EU-Austrittsvertrag abgestimmt werden. Sollten die Richter urteilen, dass Großbritannien die EU-Austrittserklärung theoretisch ohne Einverständnis der anderen 27 Mitgliedstaaten zurücknehmen kann, könnte dies für Brexit-Gegner ein Grund mehr sein, gegen das Austrittsabkommen zu stimmen.

Weil auch etliche Brexit-Hardliner das Abkommen wegen der weiter vorgesehenen engen EU-Anbindung ablehnen, gilt eine parlamentarische Zustimmung bereits heute als sehr unwahrscheinlich. Was im Fall einer Ablehnung passieren würde, ist derzeit offen.