Wenn Brotbäcker einen Lauf haben: Mantar und Skeletonwitch in Wien

Wien (APA) - So kommt man auch im Winter ins Schwitzen: In der Wiener Arena machte sich Dienstagabend eine Reisegruppe von vier Metalbands b...

Wien (APA) - So kommt man auch im Winter ins Schwitzen: In der Wiener Arena machte sich Dienstagabend eine Reisegruppe von vier Metalbands breit, die - angeführt vom Doppel Mantar und Skeletonwitch - für reichlich Kleinholz sorgte. Thrash- und Doom-Riffs wechselten sich ab, Fäuste wurden gereckt, die Stimmbänder malträtiert. Und doch brauchen auch vermeintlich böse Buben manchmal eine Auszeit.

Zuerst ging es aber natürlich in die Vollen: Eingeläutet wurde der mächtige Gitarrensturm von Deathrite, die klassische Metalzutaten ins Heute verfrachteten und ziemlich druckvoll agierten. Noch stärker in den 80ern verhaftet waren anschließend die belgischen Evil Invaders, inklusive zackenbespicktem Mikrofonständer, Patronenarmband und kreisendem Haupthaar. Was nach Klischees klingt, zitierte eben jene mit viel Lust an der Übertreibung - vor allem aber war das servierte Liedgut einfach ziemlich überzeugend.

Und doch wirkte beides eher wie eine gelungene Vorspeise, um den Appetit anzuregen. Denn als die US-Amerikaner von Skeletonwitch die Bühne betraten, wurden die Schrauben nochmals weiter gedreht. Immerhin hat die Formation zuletzt einen Wandel vom zwar anspruchsvollen, aber doch gerade gestrickten Sound zu einer komplexeren Herangehensweise vollzogen. „Es hat einfach passieren müssen“, nickte Gitarrist und aktuell Hauptsongschreiber Scott Hedrick vor dem Gig im APA-Interview. „Wir haben uns weiterentwickelt, es war Zeit dafür. Davor hat es auch Spaß gemacht, aber viel Subtilität und Tiefe gab es nicht.“

Mit „Devouring Radiant Light“ hat die Gruppe ein Album des Jahres abgeliefert, bis zum Rand gefüllt mit dunkler Atmosphäre, treibenden Grooves, schwarzmetallischer Färbung und Ohrwurmmelodien. Stücke wie der Konzertopener „Fen Of Shadows“ oder „The Vault“ entwickelten einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen konnte. „Dieses Update für unsere Band zu finden, war wichtig. Die Richtung war schnell klar. Ich musste nichts an die Wand werfen, um zu sehen, was davon haften bleibt“, erklärte Hedrick den neuen Sound. „Schwieriger war hingegen, es wirklich gut zu machen.“

Das ist Skeletonwitch in jedem Fall gelungen. Und auch Mantar aus Deutschland haben kürzlich mit „The Modern Art Of Setting Ablaze“ ihren dritten überzeugenden Longplayer vorgelegt. Das Duo Hanno Klänhardt (Gesang und Gitarre) und Erinc Sakarya (Schlagzeug) profitiert ja nicht nur von der reduzierten Besetzung, sondern auch der kompromisslos durchgezogenen Mischung aus Metal, Doom und Hardcore, die maßgeblich von der Direktheit lebt. Das drückte sich live allen voran durch eine mörderische Lautstärke aus, als Klänhardt vor einer massiven Verstärkerwand sein Instrument malträtierte und Sakarya den stoischen Taktgeber mit viel Punch auslegte.

„Das ist sozusagen unsere eigene Aggressionstherapie“, charakterisierte der Drummer die Konzerte wenige Stunden zuvor. Und das glaubt man ihm. Wobei das Tourneeleben natürlich seine Schattenseiten hat. „Die Stunde auf der Bühne ist das, warum du es machst“, betonte Klänhardt. „Aber das ganze Drumherum? Das kannst du eigentlich vergessen. Es gibt nur zwei Zustände: Du wartest, oder du bist im Stress.“ Wenn man dann wie aktuell mit so vielen Menschen unterwegs ist, kann sich auch Beklemmung einstellen. „Wir sind ungefähr 25 Leute, da wird‘s schon mal eng. Es ist ein Bohrinselgefühl.“

In diesem Sinne brauchen die Musiker auch mal Pause - dann aber richtig und von allem. Klänhardt etwa lebt seit einiger Zeit in Florida und kapselt sich dort gerne von der Musik ab. „Dann bin ich froh, das alles hinter mir zu lassen. Dafür bin ich leidenschaftlicher Brotbäcker. Und Sachen, die ich alleine machen kann, sind sehr wichtig.“ Für seinen Bandkollegen hat er eine andere, wenngleich nicht ganz ernst gemeinte Antwort, was dessen Freizeit betrifft. „Und Erinc? Prügeleien, Puffs, das Übliche halt.“ Im gemeinschaftlichen Gelächter zeigt sich so wieder, dass die Chemie stimmt - auf wie abseits der Bühne.

Während Mantar durch ihr Set pflügten, mit Songs wie „Era Borealis“ trotz der übertrieben in die Auslage gestellten Härte auch nachvollziehbare Momente ablieferten und sogar mitsingtaugliche Refrains in die Halle zimmerten, wuselte der Rest der großen Reisegruppe durchs Publikum, hier für ein Selfie sich Zeit nehmend, dort eine Platte signierend. Klänhardts Vergleich mit einer Klassenfahrt, er bekam dadurch eine sehr authentische Note. Aber auch für vernünftige Gedanken muss Zeit sein, als etwa Hedrick über seine Regenerationsphasen vom Tourstress erzählte. „Ich laufe jeden Tag so um die 15 Kilometer. Das tut einfach verdammt gut.“ Und schob dann mit einem Blick in den frostigen Wiener Nachthimmel nach: „Aber heute war es verdammt kalt.“

(S E R V I C E - Mantar, Skeletonwitch, Evil Invaders und Deathrite heute, Mittwoch, live im Grazer Explosiv; www.mantarband.com; https://skeletonwitch.bandcamp.com)