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Brexit-Delegierter: Ohne Deal Deutschprüfungen für Briten möglich

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Österreichs Brexit-Delegierter, Gregor Schusterschitz, warnt, dass in Österreich lebende Briten bei einem „harten“ EU-Austritt ihres Landes möglicherweise Deutschprüfungen drohen. Ansonsten bekräftigt der Spitzendiplomat im APA-Interview die harte Linie der EU. Nachverhandlungen werde es nicht geben. Den Brexit hält er für hinreichend abschreckend für potenzielle Nachahmer

Was passiert wenn das britische Unterhaus am 11. Dezember Nein zum Brexit-Vertrag sagt?

Schusterschitz: Das kommt darauf an, warum das Unterhaus Nein sagt. Wenn das Unterhaus Nein sagt, wird es in jedem Fall eine gemischte Botschaft aussenden. Es werden manche Nein sagen, weil es ihnen zu viel ist, und es werden manche Nein sagen, weil es ihnen zu wenig ist. Schon daraus ergibt sich, dass ein Nachverhandeln keinen Sinn macht. Es ist ein ganz fein austarierter Kompromiss. Wenn ich jetzt dort einen Artikel ändere, heißt das nicht, dass ich dann eine Mehrheit habe. May sagt auch ganz klar: Das ist der Deal, und auch sie will keine Nachverhandlungen.

Was passiert dann beim EU-Gipfel am 13./14. Dezember?

Schusterschitz: Der Europäische Rat am 13./14. Dezember ist kein Rat zum Artikel 50. Das heißt, es ist ein Rat zu 28, wo man, wenn man will, zu 28 beim Abendessen diese Frage mit Premierministerin May diskutieren kann. Wenn wir eine EU-Position festzurren wollen, müssen wir ein Gremium nach Artikel 50 einberufen, also einen Rat Allgemeine Angelegenheiten oder einen Europäischen Rat, und der muss dann die Konsequenzen besprechen. Es sind zwei Richtungen denkbar: Das eine ist, dass man noch einmal versucht, später in Großbritannien eine Abstimmung herbeizuführen. Die andere Variante ist, dass man sich schon ganz klar auf ein No-Deal-Szenario vorbereitet. Unser Bundeskanzler hat auch die Verlängerungsmöglichkeit von Artikel 50 (EU-Austritt, Anm.) ins Spiel gebracht, das ist auch eine der Optionen, die man hat, aber das muss erst auf politischen Ebenen diskutiert werden.

Ist über diese Verlängerungsmöglichkeit in der Brexit-Ratsarbeitsgruppe gesprochen worden?

Schusterschitz: Nein, noch nicht als reale Option, weil es vor allem von vornherein von britischer Seite ausgeschlossen wurde.

Wer müsste das beantragen?

Schusterschitz: Es kann von beiden Seiten kommen, aber es müssen alle 28 zustimmen.

Der EuGH muss entscheiden, ob Großbritannien sein Austrittsgesuch allein zurückziehen kann?

Schusterschitz: Da gab es ein Hearing beim Europäischen Gerichtshof. Da hat der Rat die Rechtsansicht vertreten, dass man nicht einseitig zurückziehen kann, aber da gibt es völlig unterschiedliche Meinungen. Viele wollen eine möglichst abschreckende Wirkung für zukünftige vergleichbare Fälle.

Ist ein Urteil vor dem Brexit-Austrittsdatum überhaupt zu erwarten?

Schusterschitz: Möglicherweise, da es im Eilverfahren behandelt wird. Es ist allerdings möglich, dass der EuGH überhaupt die Zulässigkeit dieser Klage verweigert, da man die Meinung vertreten kann, dass es keine Vorfrage ist, die im Zuge eines laufenden Gerichtsverfahrens zu klären ist.

Wie geht es einem persönlich, wenn man so viel Anstrengungen investiert hat, und jetzt völlig ungewiss ist, ob dieser Brexit-Deal überhaupt durchgeht?

Schusterschitz: Wenn man damit ein Problem hat, darf man nicht Beamter werden. Es ist die Rolle des Beamten, Sachen vorzubereiten, und die Politik entscheidet dann. Der Prozess war trotzdem extrem spannend. Abgesehen davon arbeite ich auch an der Notfallplanung.

Was passiert jetzt weiter auf EU-Seite?

Schusterschitz: Wenn alles gut geht, wird die Ratsarbeitsgruppe ab Dezember/Jänner das Mandat vorbereiten für die Verhandlungen über einen zukünftigen Vertrag.

Kann über das neue Abkommen mit Großbritannien schon ab April verhandelt werden?

Schusterschitz: Die Idee ist, dass man schon nach der Abstimmung im britischen Unterhaus die Vorbereitungsarbeiten beginnt. Dass sobald der Austritt erfolgt ist, der Rat das Mandat formal annehmen kann, gleich Anfang April, dass man dann gleich verhandeln kann. Zwischen Jänner und März wird man diese Fragen diskutieren.

Die Notfallplanung für einen „harten Brexit wurde schon angesprochen. Wie sieht es mit den Rechten der rund 25.000 Österreicher in Großbritannien aus, die nur mit dem Deal jetzt gesichert wären?

Schusterschitz: Aufenthaltsrecht und derartige Dinge sind einseitige nationale Maßnahmen, das hängt von den Briten ab. Premierministerin May hat angekündigt, dass sie einseitige Rechte der EU-Bürger in Großbritannien garantiert. Sie sagt, da soll sich wenig ändern. Aber es hängt davon ab, welche gesetzliche Maßnahmen sie ergreift. Sozialversicherungsansprüche sind natürlich ein größeres Problem, weil da viel Geld fließt. Da diskutieren die EU-Mitgliedstaaten noch, wie man das genau regeln kann. Was natürlich nicht passieren soll ist, dass man Politik auf dem Rücken der Bürger macht.

Und der Status der rund 15.000 Briten in Österreich?

Schusterschitz: Eine Frage, die sich für Briten in Österreich stellen wird, ist, dass das österreichische Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für längerfristige Aufenthaltstitel letztlich auch eine Deutschprüfung verlangt. Und es gibt offenbar Briten, die seit 20 Jahren in Österreich wohnen und kein Wort Deutsch können. Da gibt es im Gegensatz zum EU-Status Verkomplizierungen, die man sich genau anschauen muss. Angehörige von EU- und EWR-Staatsbürgern brauchen diese Spracherfordernis nicht.

Wie sieht es mit Zollregelungen aus, wenn Großbritannien nicht mehr in der Zollunion wäre?

Schusterschitz: Volle Zollkontrollen, zum Beispiel auch in Irland. Österreich kommt relativ gut weg, wir haben da nicht so ein Riesenproblem. Frankreich hat ein echtes Problem, allein mit den infrastrukturellen Maßnahmen am Tunnel, wenn sie volle Zollkontrollen machen müssen. Es sucht jeder Zöllner. Alle EU-Staaten müssen aufstocken, im No-Deal-Szenario ruckzuck, sonst ab 2020. Das geht in die Hunderte pro Land. Wir schauen noch genau, wie viele es sind, aber wir werden auch einen Mehrbedarf haben.

Was ist in der Notfallplanung für einen reibungslosen Flugverkehr vorgesehen?

Schusterschitz: Wir können den Briten einseitig ihre Verkehrsrechte zugestehen. Wir können einseitig nicht die Flugrechte unserer Fluglinien in Großbritannien garantieren, das müssen die Briten machen. Wir haben aber das ganz klare Prinzip: kein Deal über einen No-Deal, weil unsere Priorität das Austrittsabkommen ist.

Die Briten befürchten, dass Medikamente nicht mehr lieferbar wären?

Schusterschitz: Das wäre ein extremes Problem für Großbritannien, auch die Lebensmittellieferungen und Lebendtierlieferungen. Großbritannien wäre dann ein normaler Drittstaat, da braucht man tierärztliche Kontrollen und alles Mögliche.

Ist der Brexit hinreichend abschreckend für potenzielle Nachahmer?

Schusterschitz: Ich denke ja. Wenn jetzt noch jemand auf die Idee kommt, aus der EU austreten zu wollen, dann kann man ihm auch nicht mehr helfen. Man lernt in der ersten Stunde Wirtschaftskunde die economy of scale. Je mehr man produziert, desto billiger wird es für jeden. Wenn ich Verwaltung poole, ist es für jeden billiger. Jetzt müssen die Briten eine eigene Arzneimittelzulassung eine eigene Nuklearsicherheitsbehörde und Flugsicherheitsbehörde aufbauen. Außer sie machen den autonomen Nachvollzug von EU-Maßnahmen. Das wäre zwar billiger, aber halt das Gegenteil von ‚take back control‘ .

Spanien hat die Einigkeit der 27 EU-Staaten wegen Gibraltar hart auf die Probe gestellt?

Schusterschitz: Man kann daraus nur eine allgemeine Lehre ziehen: dass es nicht sinnvoll ist, in der Geschichte zurückzublicken, sondern man muss nach vorne schauen. Es war ein nicht sehr erfreulicher Anlass, dass plötzlich dieser Blick zurück mehrere Jahrhunderte in die Geschichte so etwas verkomplizieren kann.

Herr Botschafter, wo werden Sie den 30. März 2019 verbringen?

Schusterschitz: Vielleicht bin ich eh hier und schaue zu, wie die (britische) Flagge niedergeholt wird.

Das Interview führte Thomas Schmidt, APA