Internationale Pressestimmen zum Konflikt Ukraine-Russland
Kiew (APA/AFP/dpa) - Internationale Zeitungen schreiben am Mittwoch zur Verschärfung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland:...
Kiew (APA/AFP/dpa) - Internationale Zeitungen schreiben am Mittwoch zur Verschärfung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland:
„Guardian“ (London):
„Von einer ‚westlichen Reaktion auf internationale Krisen zu sprechen, erscheint in wachsendem Maße unzutreffend, insbesondere mit Blick auf Russland. (...) Es wird ein harter Kampf, wenn die EU im kommenden Monat zusätzliche Sanktionen gegen Russland in Erwägung zieht. Allerdings dürfte es diesmal schwerer für Italiens Matteo Salvini und andere werden, sich für eine Lockerung der bestehenden Sanktionen einzusetzen.
Moskaus Aktionen liefern mehr Gründe für Zwangsmaßnahmen als weniger. Seit der Inbesitznahme der Krim haben wir den Abschuss von Flug MH17 mit dem Verlust von 298 Menschenleben durch moskautreue Rebellen mit einer russischen Rakete erlebt, die gnadenlosen Bombenangriffe zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syriens, den Giftanschlag auf die Skripals in Salisbury und immer neue Beweise für politische Einmischung. Die Notwendigkeit der Solidarität des Westens ist von Mal zu Mal gewachsen. Zugleich aber ist es immer schwieriger geworden, sie aufrechtzuerhalten.“
„Süddeutsche Zeitung“ (München):
„Zu verhindern gilt, dass dem Krieg in der Ukraine, der seit 2014 leider nie aufgehört hat, ein neuer Schauplatz hinzugefügt wird. Noch besteht Hoffnung, dass beide Seiten den Konflikt nicht außer Kontrolle geraten lassen, weil sie hoffen, dass er ihnen innenpolitisch nützt. Das hängt nun nicht in erster Linie von Merkel ab, aber sie kann helfen. Sie kann Putin klarmachen, dass neue russische Rechtsbrüche und neue vom Kreml befohlene Gewalt auch mit neuen Sanktionen bestraft werden. Es gehört aber auch Poroschenko ermahnt: Auch der Präsident der Ukraine darf die Frage, ob Krieg herrscht oder Frieden, nicht seinem Wahlkampf unterordnen.“
„Handelsblatt“ (Düsseldorf):
„Putin wird alles dafür tun, dass die Ukraine scheitert. Denn würde sie sich zu einem wenig korrupten, modernen und wirtschaftlich prosperierenden Staat entwickeln, hätten seine Oligarchen-Seilschaften im eigenen Land keine Rechtfertigung mehr. Wird aber die Ukraine wieder zu Moskaus Vasallenstaat, würde Europas Sicherheitsarchitektur nachhaltig gestört. Das Schicksal der Ukraine darf Europa also keineswegs gleichgültig sein.“
„de Volkskrant“ (Amsterdam):
„Mit der willkürlichen Schließung der Straße von Kertsch bekommt Russland einen großen Teil der ukrainischen Küste in den Griff, den die pro-russischen Rebellen bisher nicht zu erobern vermochten. Moskau baut darauf, dass die westlichen Länder praktisch nur wenig dagegen tun können. Keiner will einen neuen Krim-Krieg und niemand im Westen ist bereit, für die Straße von Kertsch zu sterben. (...)
Gerade jetzt, da sich US-Präsident (Donald) Trump mehr über CNN und die ‚Hexenjagd‘ des Sonderermittlers (Robert) Mueller erregt als über die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine, ist es Aufgabe der EU-Länder zu versuchen, Russland zur Vernunft zu bringen.“
„El País“ (Madrid):
„Die militärischen und diplomatischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nach dem jüngsten Vorfall am vergangenen Sonntag machen es erforderlich, dass beide Seiten eine Eskalation ihrer Gesten und Handlungen mit unvorhersehbaren Folgen vermeiden (...). Moskaus feindselige Haltung gegenüber Kiew ist kein Geheimnis und hat sich in den vergangenen Monaten verstärkt. Unterdessen unterstützt Russland weiterhin die pro-russische separatistische Guerilla, die in der Ostukraine operiert. (...)
Die Ukraine wird sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von den unterzeichneten Verträgen geschützt. Die Regierung sollte aber versuchen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und sich für einen klaren Weg entscheiden, um die Spannung senken.“
„Adevarul“ (Bukarest):
„Vorläufig hat es nicht den Anschein, als wollte jemand die Türen eines neuen Konflikts öffnen. Nicht einmal die arme Ukraine. Andererseits ist es klar, dass eine Situation geschaffen wurde, in der hochgradige wunde Punkte offenbar wurden. Es zeichnet sich als wichtigstes Szenario ab, dass Russland zeigt, wie schnell es sogar auf der anderen Seite der EU-NATO-Grenze Schachfiguren bewegen kann. Wobei Rumänien im Fall jeder offensiven Absicht auf dem Landweg und auf dem Seeweg das erste Ziel wäre. Vorläufig ist es noch nicht so weit gekommen. Weil wir uns aber wieder in einem Kalten Krieg befinden, sollten wir sehr ernsthaft in Betracht ziehen, dass es auch so weit kommen kann.“
„Duma“ (Sofia):
„Dass der Zwischenfall (im Schwarzen Meer) eine Provokation ist, beweist eine Reihe von Fakten, die auf elektronischen Trägern mit Kameras, Audiotechnik und Satelliten aufgezeichnet wurden. Die festgehaltenen Seeleute, die als lebendige Zielscheiben dienten, bezeugen dies selbst. Sie geben zu, dass sie den Befehl hatten, auf Warnungen des russischen Grenzschutzes nicht zu antworten und bei Bedarf, Feuer zu eröffnen. (...) Es ist für alle klar: (...) es handelt sich um ein Scheitern von (dem ukrainischen Präsidenten Petro) Poroschenko. Jetzt müssen sich die Sponsoren auch wegen des Kriegsrechts schämen, das er verhängte und damit faktisch seine Militärdiktatur ‚legalisierte‘.“
„Diena“ (Riga):
„Zu wem die Krim gehört, ist für beide Seiten eine Grundsatzfrage - und beide versuchen auf eindeutige Weise, ihre jeweilige Position zu demonstrieren. Zugleich ist es schwierig, das Kräfteverhältnis als gleichwertig zu bezeichnen, weshalb Kiew nichts anders übrig bleibt, als sich regelmäßig mit Hilfeersuchen an westliche Länder zu wenden. Deren Unterstützung geht allerdings nicht über vernachlässigbare Sanktionen, moralische Unterstützung für die Ukraine und die Verurteilung Russlands hinaus.
Natürlich fehlt es auch im Westen nicht an militanten Stimmen. Doch besonders in Europa dominieren Realpolitiker, die verstehen, dass ein offener Konflikt mit Russland dem Westen, dem es auch ohne Moskau nicht an Problemen mangelt, selbst teuer zu stehen kommen wird. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung sind die Prozesse in der Ukraine selbst. Zunehmend kommt der Verdacht auf, dass viele Politiker den Konflikt mit Russland dazu nutzen wollen, um damit ihre eigenen Ziele zu erreichen.“
„Hospodarske noviny“ (Prag):
„Die oft zitierte Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass der Zerfall der Sowjetunion die größte geopolitische Tragödie des 20. Jahrhunderts gewesen sei, wird meist als Ausdruck der Nostalgie und der Trauer über etwas Verlorenes interpretiert. Die Sehnsucht richtet sich nicht nach dem früheren kommunistischen Regime, sondern nach der Größe des Landes und seiner Stellung in der Welt. (...) In seinem näheren Umfeld, das Moskau gerne als ‚nahes Ausland‘ bezeichnet, mag Moskau seinen Einfluss noch geltend machen können, selbst wenn es dabei zweifelhafte Methoden wie heimliche militärische Interventionen einsetzen muss. Doch schlechter sieht es mit der Wiedererlangung der alten Stellung im Weltmaßstab aus. (...) Wenn man die wirtschaftliche Leistung und den technischen Aufstieg Chinas betrachtet, wird klar, dass Russland ohne die immer wieder aufgeschobenen Reformen mit dem Reich der Mitte nicht wird konkurrieren können.“