Der Weg der HSH Nordbank - Zerstörte Hoffnungen und Milliardenfiasko
Hamburg/Berlin (APA/dpa-AFX) - Am Anfang stand die Fusion zweier Landesbanken, am Ende der erzwungene Verkauf. Für Hamburg und Schleswig-Hol...
Hamburg/Berlin (APA/dpa-AFX) - Am Anfang stand die Fusion zweier Landesbanken, am Ende der erzwungene Verkauf. Für Hamburg und Schleswig-Holstein wird die Geschichte der HSH Nordbank noch lange nachwirken.
Juni 2003: Die HSH Nordbank entsteht aus der Fusion der beiden Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein mit Hauptsitzen in Hamburg und Kiel und Niederlassungen in sechs weiteren deutschen Städten sowie im Ausland. An der Spitze der neuen Bank steht Alexander Stuhlmann, zuvor Chef der Hamburgischen Landesbank. Sein Nachfolger wird am 1. Jänner 2007 Hans Berger von der Landesbank Schleswig-Holstein.
2003 bis 2007: Die HSH Nordbank leiht sich billig Geld, für das die Länder bürgen. Sie investiert enorme Mittel in scheinbar lukrative Finanzprodukte („Kreditersatzgeschäft“) und wird größter Schiffsfinanzierer der Welt. Ziel der Länder, die im Aufsichtsrat den Ton angeben: Hohe Gewinne für ihre Landeshaushalte. Ein Börsengang wird vorbereitet. Die Risiken geraten aus dem Blick.
2008: Am 15. September kollabiert die US-Bank Lehman Brothers - der Höhepunkt der globalen Finanzkrise. Viele Wertpapiere werden wertlos. Die Bank muss einen Verlust von fast 3 Mrd. Euro ausweisen und die Länder um Hilfe bitten. Hans Berger tritt im November als Vorstandschef zurück; sein Nachfolger wird Dirk Jens Nonnenmacher. Der Börsengang wird erst vertagt, dann abgesagt. Die Bank erreicht zum Jahresende eine Bilanzsumme von 208 Mrd. Euro und beschäftigt 4.300 Mitarbeiter.
2009: Im Februar beschließen Hamburg und Schleswig-Holstein ein Rettungspaket. Die Bank erhält eine Kapitalspritze von drei Mrd. Euro und die Länder übernehmen eine Garantie für Verluste bis zehn Mrd. Euro. Mitte des Jahres übernimmt der frühere Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper den Vorsitz im Aufsichtsrat. Auf Druck der Bankenaufsicht vollzieht die Bank eine Kehrtwende. Aus der international aufgestellten Geschäftsbank wird eine Regionalbank mit wenigen Geschäftsfeldern: Firmenkunden, Schifffahrt, Infrastruktur, Immobilien. Alles andere wird in einer internen Abbaubank gebündelt und nach und nach abgewickelt, auch die faulen Schiffskredite.
2010: Die HSH Nordbank erwirbt sich einen Ruf als Skandalbank. Es geht um eine dubiose Sicherheitsfirma namens Prevent, vermutlich untergeschobene Kinderpornos, Verdächtigungen und Intrigen, Kündigungen und Klagen. Mit dem Bankgeschäft hat das nichts zu tun, das stabilisiert sich etwas. Aber das Ansehen der Bank ist auf dem Tiefpunkt und Nonnenmacher ihr Gesicht. Er wird öffentlich angefeindet.
2011: Nonnenmacher muss im März gehen, sein Nachfolger wird Paul Lerbinger. Er sieht die Bank auf einem guten Weg und drängt erfolgreich darauf, die teure Verlustgarantie zu reduzieren, von zehn auf sieben Mrd. Euro. Die Schifffahrt erholt sich ein wenig. Die Politik glaubt, die Krise der Bank könne vielleicht glimpflich ausgehen und kaum Steuergeld kosten. Die Untersuchungsausschüsse in Hamburg und Kiel legen ihre Ergebnisse vor, ohne Folgen. Die EU-Kommission erlässt strenge Auflagen, weil die Bank durch staatliche Beihilfen gerettet und so der Markt verzerrt wurde.
2012: Die Frachtraten sinken wieder, die Schifffahrt gerät erneut in die Krise und mit ihr die HSH Nordbank. Vorstandschef Lerbinger geht nach nur 19 Monaten. An der Spitze steht jetzt Constantin von Oesterreich. Die Bank ist wieder in Gefahr, die Bankenaufsicht nervös. Es wird klar, dass die Verlustgarantie der Länder zumindest teilweise benötigt wird, um die Bank über Wasser zu halten.
2013: Die Länder beantragen bei der EU, die Garantie wieder auf zehn Mrd. Euro aufzustocken. Das zieht ein neues Verfahren nach sich, an dessen Ende der Zwangsverkauf steht. Hilmar Kopper gibt den Aufsichtsratsvorsitz ab; für ihn kommt Thomas Mirow.
2014: Der Vorstand der HSH Nordbank vom Dezember 2007 wird nach einem einjährigen Strafprozess freigesprochen. Die Manager standen wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit einem dubiosen Überkreuz-Geschäfts mit der französischen Bank BNP Paribas vor Gericht. Das Geschäft sei sinnlos gewesen und der Vorstand habe seine Pflichten verletzt, lautet das Urteil. Die Pflichtverletzung sei jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie strafbar wäre.
2015: Von Oesterreich versucht, die HSH Nordbank zu stabilisieren, aber die hartnäckige Schifffahrtskrise hat das Institut im Griff. Das Wasser steht der Bank bis zum Hals, die EU droht mit Abwicklung.
2016: Brüssel will das Problem mit der HSH Nordbank endgültig lösen und erlässt eine Reihe strenger Auflagen. Bis 28. Februar 2018 muss das Institut verkauft sein oder es wird abgewickelt. Finanzvorstand Stefan Ermisch wird der letzte Vorstandschef der HSH Nordbank und soll den Verkauf erfolgreich über die Bühne bringen. Die Länder übernehmen faule Schiffskredite im Nennwert von fünf Mrd. Euro. Heute sind sie deutlich weniger wert.
2017: Die Bank wird zum Verkauf ausgeschrieben und baut massiv Altlasten ab, um verkaufsfähig zu werden. Dazu zählen auch Schuldenerlasse für prominente Reeder, die von der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden. Jetzt stehen noch vier Mrd. Euro faule Kredite in der Bilanz, davon drei Mrd. Euro Schiffskredite. Die Abbau-Bank hat sich halbiert. Die Bilanzsumme beträgt noch 72 Mrd. Euro, die Zahl der Beschäftigten rund 2.000.
2018: Hamburg und Schleswig-Holstein verkaufen die HSH Nordbank für rund eine Milliarde Euro an eine Investorengruppe um den New Yorker Investmentfonds Cerberus, der auch an der österreichischen BAWAG beteiligt ist, und den US-Investor J.C. Flowers. Nach dem „Signing“ im Februar wird der Verkauf im November mit dem „Closing“ abgeschlossen. Die Bank wird umbenannt in Hamburg Commercial Bank und will sich als mittelgroße Geschäftsbank positionieren. Ein weiterer Personalabbau steht bevor.