200 Jahre „Stille Nacht“ 2 - Ein Weihnachtslied wird zur Massenware

Oberndorf (APA) - Die Frage nach Autor und Komponist des zum „Volkslied“ mutierten „Stille Nacht“-Lieds gewann erst im ausgehenden 19. Jahrh...

Oberndorf (APA) - Die Frage nach Autor und Komponist des zum „Volkslied“ mutierten „Stille Nacht“-Lieds gewann erst im ausgehenden 19. Jahrhundert mit dem Einsetzen der Volksliedforschung wieder an Bedeutung. Komponist Franz Xaver Gruber rückte nicht zuletzt auf Betreiben seiner Nachfahren wieder in den Mittelpunkt des Interesses, der Verfasser des Textes Josef Mohr erst im 20. Jahrhundert.

Die Verbreitung des Liedes war aber schon lange nicht mehr zu stoppen. Und es wurde im Lauf der Zeit immer wieder auch als politische Botschaft umgeschrieben. So verfasste etwa der Vortragskünstler Boleslaw Strzelewicz um die Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert) das „Arbeiter Stille Nacht“, in der die erste Strophe lautet: „Stille Nacht, traurige Nacht, ringsherum Lichterpracht! In der Hütte nur Elend und Not, kalt und öde, kein Licht und kein Brot, schläft die Armut im Stroh.“ Im Nationalsozialismus tauchte etwa diese Version auf: „Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht, Adolf Hitler für Deutschlands Geschick, führt uns zu Größe, zu Ruhm und zum Glück, gib uns Deutschen die Macht!“

Inzwischen soll das Lied in rund 300 Sprachen übersetzt worden sein, auch die Zahl 350 wird genannt. Angaben, die sich allerdings nicht seriös überprüfen lassen. Der Tiroler Heimatforscher Martin Reiter listet in seinem „Stille-Nacht“-Buch rund 120 Übersetzungen auf, darunter etwa auch Zulu, Inuit oder die Gebärdensprache. Auf jeden Fall wird auch hier die Verbreitung des Liedes durch katholische wie evangelische Missionare sichtbar, denn Versionen gibt es in vielen Sprachen indigener Völker; alleine für Maori sind sieben Versionen bekannt.

Neben der mündlichen Überlieferung und dem Druck von Liederbüchern und Notensammlungen setzte Ende der 19. Jahrhunderts die Verbreitung von „Stille Nacht“ dank seiner Beliebtheit auch auf Abspielgeräten ein, zunächst auf Spieldosen mit Walzen oder Lochplatten, sowie wenig später auch als erste echte Tonaufzeichnungen, zunächst auf Zylinderwalzen und dann auf Schallplatten bis hin zu den heutigen digitalen Möglichkeiten. Das Weihnachtslied ist zur Massenware geworden. Kaum ein namhafter Interpret kam an dem Lied vorbei. Alleine Bing Crosby verkaufte mehr als 30 Millionen Singles mit dem Titel. Im Museum in der Widumspfiste in Fügen im Zillertal befinden sich über 500 unterschiedliche Aufnahmen auf Vinyl. Heute bringen es auf der Plattform YouTube einzelne Videos zu dem Lied auf über 30 Millionen Abrufe.

Die Entstehung des Weihnachtliedes begann aber auch die Filmindustrie zu interessieren, und zwar bereits zu einer Zeit, als das Kino noch in den Kinderschuhen steckte: 1910 schuf der Filmproduzent Julius Grünbau den dreiminütigen Stimmfilm „Stille Nacht, Heilige Nacht“, der noch heute im Berliner Bundesarchiv lagert. Die Verfilmung „Das unsterbliche Lied“ aus dem Jahr 1934 wurde 1989 im DDR-Filmarchiv wiederentdeckt. 1967 gelangte das Thema mit „The Legend of Silent Night“ mit prominenter Besetzung erstmals ans US-amerikanische Fernsehpublikum. Weitere Spielfilme folgten, daneben gab es aber auch etliche Filmdokumentationen, die erste darunter 1953 in den USA mit „Silent Night: The Story of the Christmas Carol“. Zwei Versionen sind auch als Zeichentrickfilm bekannt, eine aus Australien und eine aus den Vereinigten Staaten.

Und selbstverständlich fand „Stille Nacht“ auch Einzug in die Welt der Literatur - etwa als Kriminalroman - und der Cartoons. Die Peanuts sangen das Lied genauso wie die Simpsons, und selbst Disneys Donald Duck stimmte es an.