Mediengipfel

Heribert Prantl: „Europa nicht den alten Säcken überlassen“

Heribert Prantl über das Friedensprojekt Europäische Union: ?Wir haben verlernt, das Wunder zu sehen.?
© Starck

Es war ein leidenschaftliches Plädoyer für ein gemeinsames und soziales Europa, mit dem SZ-Chefkommentator Heribert Prantl den Mediengipfel in Lech eröffnete.

Von Gudrun Brugger

Lech –Ein zutiefst überzeugter Europäer ist Heribert Prantl und ein glühender Verfechter der Menschenrechte. In seinen Texten für die Süddeutsche Zeitung klingt dieses Credo immer mit. Und auch in seiner Eröffnungsrede zum Thema „Europa und die neue Weltpolitik – Zwischen Protektionismus, Populismus und Provokationen“ Donnerstagabend stellt er den Artikel 1 der Menschenrechtserklärung allem voran: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Prantl ist nicht nur Journalist, sondern auch Jurist und hat Philosophie sowie Geschichte studiert. Das Wissen um die Vergangenheit Europas, um das jahrtausendelange Gegeneinander der Völker, um Kriege und Katastrophen auf europäischem Boden lässt ihn mit Ehrfurcht und Freude auf das Projekt der Europäischen Union blicken. „Die EU ist ein welthistorisches Friedensprojekt, eine großartige Errungenschaft, das Beste was uns Europäern in unserer langen Geschichte passiert ist“, so Prantl: „Doch wir haben verlernt, dieses Wunder zu sehen.“

Prantl sieht die EU in der Krise. Politisches Phlegma, rechter Extremismus, Demokratieverachtung und Zukunftsängste schwächen den Glauben an ein funktionierendes Europa. Der Flüchtlingsstrom führe „uns allen unsere flüchtige Existenz“ vor Augen. Die globalisierte Welt, so Prantl, sei unüberschaubar geworden. Der Mensch suche nach Halt, nach Vereinfachung, nach Grenzen. Darin lägen die Wurzeln für den wiederaufkeimenden aggressiven Nationalismus. Doch diese Art der Politik nennt Prantl eine Antipolitik. Sie biete keine Lösungen an, sondern baue Zukunft auf Ängsten auf.

Die EU habe Fehler gemacht, das stellt Heribert Prantl nicht in Frage. Doch Europa sei mehr als die Summe seiner Fehler. Europa müsse aber sozialer werden, gerechter, die Jugendarbeitslosigkeit müsse bekämpft werden. Dann, so meint er, würden sich die Menschen auch wieder stärker mit dem gemeinsamen Projekt identifizieren können. Er wünscht sich mehr Mut und Idealismus für Europa: „Gönnen wir uns das Glück.“ Der 65-Jährige möchte aber vor allem die jungen Menschen aufrütteln, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen: „Die Jugend darf Europa nicht den alten Säcken überlassen.“