EU-Vorsitz - Molterer: Für Österreich sachlich extrem schwierig

Luxemburg/Wien (APA) - Der frühere ÖVP-Chef, Finanzminister und Vizekanzler sowie nunmehriger Vizepräsident der Europäischen Investitionsban...

Luxemburg/Wien (APA) - Der frühere ÖVP-Chef, Finanzminister und Vizekanzler sowie nunmehriger Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB), Wilhelm Molterer, sieht die laufende EU-Ratspräsidentschaft Österreichs „in eine politisch relativ sensible Zeit“ gefallen und „sachlich extrem schwierig“. Das sagte Molterer in Luxemburg von österreichischen Journalisten zur EU-Sicht auf die Austro-Präsidentschaft befragt.

„Den Ruf, den sich Österreich erworben hat, ist der professionelle Umgang mit heißen Themen“, so Molterer. Zu Beginn habe Österreich den Eindruck vermittelt, etwa in Budgetfragen dezidiert nationale Positionen zu vertreten. „Das hat sich in der Zwischenzeit deutlich verändert.“ Das Anecken bei der Indexierung der Familienbeihilfe sei „nicht Teil der Präsidentschaft“. Die Trennung zwischen nationalen Anliegen und Dinge der Präsidentschaft würden getrennt.

Bei der österreichischen Ratspräsidentschaft handle es sich einerseits um die letzte Präsidentschaft, bevor die EU auf Wahlmodus umschwenke. Andererseits gebe es in der Budgetvorbereitung „ziemlich divergierende Signale an die Präsidentschaft“: „Die einen sagen, ‚wir wollen das Budget vor den EU-Wahlen fertig machen‘, die anderen sagen ‚demokratisch wirklich legitimiert ist erst das neu gewählte Parlament und die neu gewählte Kommission‘. Und da dazwischen durchzufinden, ist extrem heikel.“ Nun werde es im Dezember einen neuen Anlauf geben für das nächstjährige EU-Budget.

„Als weiterer Punkt überschattet natürlich der Brexit die Präsidentschaft“, sagte Molterer zu „Kurier“, „Standard“ und APA. Dazu kämen als vierter Punkt „einige sensible politische Entwicklungen in der Union im Gange“. Hier sprach der Ex-ÖVP-Chef die (wieder zurückgenommenen) Höchstrichterpensionierungen in Polen und der Streit ums italienische Budget an.

Was Molterer „nicht zu 100 Prozente teilt“, ist die österreichische Position in der EU-Budgetfrage außerhalb der Präsidentschaft: „Weil Kohäsion gehört dazu. Das gehört konstitutiv für die EU dazu und gerade Österreich hat davon profitiert.“ Aber auch hier werde die österreichische Position und die Präsidentschaft „gut auseinandergehalten“.

Dass bei der Digitalsteuer und bei der erneuerten Finanztransaktionssteuer noch keine echten Durchbrüche erzielt wurden, liege an vor allem an einem „ständigen Auf und Ab“ bei diesen Themen. „Ehrlich gesagt, die Tobintax ist ein Element, aber es ist nicht das, an dem die EU gesundet oder krankt.“

Die SPÖ-Chefin Rendi-Wagner sagte, die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs sei in der Flüchtlingsfrage „gescheitert“. Dazu sagt Molterer: „Die Ratspräsidentschaft hat gemacht, was möglich ist. Die EU ist zu einem hohen Grad die Kunst es Möglichen.“ Österreich müsse hier „sehr aufpassen“: „Auch Österreich vertritt in der EU einige Positionen, die nicht unbedingt mehrheitsfähig sind. Und wenn Österreich zum Beispiel eine Position der Wasserfrage oder anderen emotionalen Themen hat, dann ist Österreich sehr froh, dass es gewissen Respekt vor anderen Positionen gibt.“ Was man schon tun könne, sei zu „hinterfragen, ob die Einstimmigkeit in der EU der Weisheit letzter Schluss ist“. „In vielen Fragen ist diese Einstimmigkeit eine echte Hürde geworden“, sagte Molterer.

Auch die Frage, ob jeder Mitgliedsstaat künftig einen Kommissar haben müsse, gehöre in der nächsten Legislaturperiode für die übernächste Periode hinterfragt, so Molterer. Die jetzige Kommission habe jedenfalls Ruhe in die Krise gebracht und Europa stabilisiert.

Grundsätzlich solle sich Europa mit den großen Fragen auseinandersetzen. Das erhofft sich Molterer auch für den EU-Wahlkampf. „Das eine ist ganz sicher die Frage ‚Sicherheit und Verteidigung‘, Europa sieht nicht zuletzt wegen der Trump-Wahl, dass es erwachsen werden muss.“ Zweitens gehe es um das Thema Migration, wo es eine europäische Lösung eines „europäischen Asylrechts mit europäischen Asylverfahren“ brauche. „Hinter einer gemeinsamen Politik soll auch eine gemeinsame Behördenstruktur stehen.“ Drittens sei die Klimafrage mit allen Zusammenhängen essenziell. „Die vierte große Frage ist die Wettbewerbsfähigkeit zu der die Digitalisierung gehört.“ Alles münde in der fünften großen Frage, wie sich Europa zwischen den USA und China behaupte. „Europa kann eine starke globale Rolle nur einnehmen wenn die vier ersten Fragen gelöst werden. Dazu muss Europa für die Zukunft eine Perspektive geben, darf sich nicht nur aus der Vergangenheit heraus definieren“, fordert Molterer.

Zur Innenpolitik gefragt sagte der 64 Jahre alte Molterer, er beobachte diese, kommentiere aber nicht. Daher wollte er auch nicht auf die Frage eingehen, ob er „schwarz“ oder „türkis“ sei - „ich heiße Molterer; was ich schon sage ist: Jede Zeit hat ihre Leute.“ Er strebe auch sicher keine anderen Ämter, egal ob in der EU oder in Österreich mehr, an als seines in der EIB bis 2020 zu erfüllen. Er ist auch geschäftsführenden Direktor des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI). In Österreich werden 20 Projekte unterstützt. Österreich könne hier mehr machen - etwa mehr PPP-Modelle. „Langfristig sehe ich auch einen massiven Bedarf an kommunalen Infrastrukturinvestitionen. Hier könnte man eine Art ‚Austria Kommunal Service‘ (ähnlich dem aws, Anm.) andenken, um die Gemeinden zu unterstützen“, sagte Molterer.

Dass der FPÖ-nahe ehemalige Weltbank-Direktor Robert Holzmann neuer Nationalbankgouverneur werden soll kommentierte Molterer damit, dass „Holzmann eine qualifizierte Persönlichkeit“ ist. „Die Unabhängigkeit der Notenbank ist ein unverzichtbares Asset“, betonte Molterer, der selbst gerüchtehalber Kandidat für den Posten des Nationalbank-Gouverneurs war. „Gerüchte kommentiere ich nicht“, so Molterer dazu.

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