„Lieblingsfeind Islam“: Petra Wild räumt mit Mythen auf
Wien (APA) - An dem vorherrschenden Islambild ist alles falsch. So beginnt das neue Buch „Lieblingsfeind Islam“ der in Berlin lebenden Autor...
Wien (APA) - An dem vorherrschenden Islambild ist alles falsch. So beginnt das neue Buch „Lieblingsfeind Islam“ der in Berlin lebenden Autorin Petra Wild. Die Weltreligion werde für politische und gesellschaftliche Zwecke zur „Monsterfratze verzerrt“, heißt es weiter. Auf 272 Seiten räumt die Islamwissenschaftlerin mit gängigen Mythen auf und analysiert die vielen Facetten des antimuslimischen Rassismus.
Der Islam, mit seinen rund zwei Milliarden Anhängern, seinen fünf Rechtsschulen und verschiedensten Ausprägungen, könne „vielfältiger nicht sein“, so Wild. Im Gegensatz zum Katholizismus kenne er keine zentrale Instanz wie den Vatikan, daher müsse seine Auslegung unter Gläubigen ständig neu verhandelt werden. Durch die Verbindung mit den jeweils lokalen Kulturen habe sich so eine breite Palette an Interpretationen entwickelt. „Muslimische Gesellschaften können ebenso wenig auf den Islam reduziert werden wie christliche Gesellschaften auf das Christentum“, schreibt Wild und nennt antikoloniale Bewegungen sowie progressive politische Strömungen. Die Vielfalt werde gerne übersehen, um den Islam so darstellen zu können, wie er zum Feindbild tauge.
Dabei ziehe sich antimuslimischer Rassismus von ganz links bis ganz rechts, analysiert die Autorin. Vor allem in Bezug auf feministische Themen sei eine paradoxe Situation entstanden: Konservative und Rechtsradikale würden zu Feministen, wenn über Musliminnen gesprochen werde, während Liberale, Linke und Feministinnen in der Debatte schnell zum Rassismus neigen würden, konstatiert Wild und geht im Detail auf Äußerungen verschiedener Intellektueller ein.
Einer der Anlässe für das Buch war die Gewalt, der Muslime in Deutschland heute ausgesetzt sind. Wild nennt 908 Angriffe auf deutsche Muslime, 1.906 Angriffe auf Flüchtlinge und 100 Angriffe auf Moscheen. Sie warnt vor der Salonfähigkeit der Gewalt: „Die Zeiten, in denen soziale Ächtung dafür sorgte, dass rassistisches Gedankengut nicht offen geäußert wurde, sind lange vorbei.“ In diesem Zusammenhang spricht sie von der größten rassistischen Mobilisierung seit dem Faschismus.
Einen wichtigen Input für das Buch liefern die Arbeiten von Edward Said und sein weitverbreiteter Begriff „Orientalismus“, mit dem er im Jahr 1978 den westlichen Blick auf den Orient und dessen Stilisierung zum Exotischen und Barbarischen kritisierte. Wild schreibt, die muslimische Welt sei für Europa schon immer eine Herausforderung gewesen und die Konstruktion der europäischen Identität basiere stark auf der Abgrenzung zu Muslimen. Besonders in Zeiten der Krise werde gerne auf das Feindbild Islam zurückgegriffen. In diesem Kontext sei antimuslimischer Rassismus teilweise an die Stelle von Antisemitismus getreten, da dieser von der Öffentlichkeit heute viel weniger akzeptiert werde, so die Autorin.
Das derzeitige Ausmaß des antimuslimischen Rassismus setzt Wild in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umbrüchen seit der Finanzkrise 2008 und einer Phase der weltweiten Instabilität. Autoritäre Tendenzen seien durch die Krise verstärkt worden. Dazu fungiere der islamistische Terrorismus als „permanente Drohkulisse zur Einschüchterung der Bevölkerung.“ Noch sei offen, in welche Richtung die Entwicklung weitergehe, schreibt sie und appelliert an „progressive Kräfte weltweit“.
Petra Wild studierte arabische Sprache und Islamwissenschaften in Jerusalem, Leipzig, Damaskus und Berlin und beschäftigt sich als Publizistin zuvor vor allem mit der Palästina-Frage und der Arabischen Revolution.