Schweiz tritt im Börsen-Streit mit EU Flucht nach vorn an
Zürich (APA/Reuters) - Der Streit über die Anerkennung der Schweizer Börse SIX durch die EU eskaliert. Die Schweizer Regierung erließ am Fre...
Zürich (APA/Reuters) - Der Streit über die Anerkennung der Schweizer Börse SIX durch die EU eskaliert. Die Schweizer Regierung erließ am Freitag ein provisorisches Handelsverbot für Schweizer Aktien in der EU. Mit diesem Notfallplan reagiert das Land auf eine Drohung der EU, die Schweizer Börsenregulierung nicht mehr als gleichwertig zur eigenen anzuerkennen.
Setzt die Union die Drohung um, dürfen Banken und Vermögensverwalter aus der EU an der Schweizer Börse nicht mehr handeln. Eine solche Einschränkung hätte einen Umsatzeinbruch an der Schweizer Börse zur Folge. Mit der ab dem 1. Jänner geltenden Schutzmaßnahme will die Schweiz nun gegensteuern. Falls die EU doch noch einlenkt, hebt das Land die Sperre wieder auf.
Hintergrund des Schlagabtauschs ist eine politische Auseinandersetzung. Seit viereinhalb Jahren verhandeln die Schweiz und die EU über ein sogenanntes „Rahmenabkommen“, das die Beziehungen der beiden Seiten vollumfänglich regeln soll. Zwar bestehen schon über hundert Einzelabkommen zwischen der Schweiz und ihrem wichtigsten Handelspartner. Doch vor allem die EU will diese in einen Rahmen einbetten. Damit müsste die Schweiz Änderungen der Regeln zum europäischen Binnenmarkt automatisch übernehmen. Beim Schweizer Stimmvolk, das zwar die Vorteile einer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit dem Ausland schätzt, aber sich auch möglichst viel Unabhängigkeit bewahren will, hat ein Rahmenabkommen einen schweren Stand.
Vor knapp einem Jahr feuerte die EU einen Warnschuss ab, indem sie den Schweizer Börsen den Marktzugang nur befristet bis Ende 2018 gewährte. Die Schweiz sieht sich diskriminiert, weil das Land die Voraussetzungen auf technischer Ebene erfüllt und die Äquivalenz mit dem Rahmenabkommen eigentlich gar nichts zu tun hat. Obwohl die EU der Schweiz in mehreren Punkten entgegengekommen ist, zögert die Regierung aus innenpolitischen Gründen auch jetzt noch, einem Vertragsentwurf zuzustimmen.
Am Mittwoch erhöhte die EU den Druck mit der Äußerung, dass sie die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Äquivalenz nicht gegeben sieht. Versagt die EU der Schweiz tatsächlich die Anerkennung, könnte die SIX damit über die Hälfte des Volumens einbüßen, wie Experten vorrechnen. Mit einem Handelsumsatz von 1,35 Billionen Franken ist die SIX der viertgrößte Handelsplatz in Europa.
Mit Hilfe von Notrecht will die Schweizer Regierung nun EU-Börsen untersagen, Schweizer Aktien zu handeln. Wenn sich die ausländischen Handelsplätze daran halten, dürfte die SIX zumindest vorübergehend deutlich mehr Volumen anziehen. Denn rund 30 Prozent des Volumens mit Schweizer Aktien wird gegenwärtig auf anderen Plattformen wie CBOE Europe, Turquoise oder Aquis abgewickelt.
Langfristig sind die Einschränkungen aber mit dem Risiko verbunden, dass Firmen auf einen Börsengang an der SIX verzichten oder eine bereits bestehende Hauptnotierung verlagern könnten. Denn wenn Wertpapierfirmen aus der EU nicht mehr an der SIX handeln dürften, verlöre die Börse an Attraktivität und damit Liquidität. Die Regierung erklärte deshalb, dass eine unbefristete Verlängerung der Äquivalenz für die Marktakteure in der Schweiz und im Ausland die beste Lösung sei.
~ WEB http://www.six-group.com/about/de/home.html ~ APA503 2018-11-30/17:46