Neues Lektionar: „Jahwe“ kommt nicht mehr vor
Dekan Franz Troyer und Bischof Hermann Glettler haben in St. Andrä das neue Lektionar feierlich eingeführt.
Lienz — Der Lienzer Dekan Franz Troyer und Bischof Hermann Glettler aus Innsbruck haben am Samstag in der Pfarrkirche St. Andrä in Lienz das neue Lektionar feierlich eingeführt. Seit dem gestrigen ersten Adventsonntag wird im gesamten deutschsprachigen Raum eine neue Übersetzung der Bibeltexte verwendet. Diese „revidierte Einheitsübersetzung" basiert auf der bisher gültigen Einheitsübersetzung, die im Jahr 1979 von der katholischen Kirche als die erste offizielle deutschsprachige Bibelübersetzung herausgegeben worden war. Das Lektionar ist jenes große und wertvoll gestaltete Buch, in dem für alle Sonn- und Feiertage die jeweils zwei Lesungen, ein Psalm und das Evangelium stehen. Franz Troyer erläutert die Veränderungen.
Sie sind auch Leiter der Diözesanstelle Bibelpastoral, die eine Anlaufstelle für all jene sein will, die mit der Bibel arbeiten. Was sind die wichtigsten Veränderungen in der revidierten Einheitsübersetzung?
Franz Troyer: Die Gottesbezeichnung „Jahwe" kommt jetzt nicht mehr vor, sie wird mit „Herr" übersetzt. Dies geschieht, um die verstärkte Verbindung zum Judentum zu unterstreichen. Dort wird dieser Gottesname aus Hochachtung und Ehrfurcht nicht ausgesprochen. Im neuen Testament werden oft alle Menschen als „Brüder" (adelphoi) angesprochen, obwohl klar ist, dass auch die „Schwestern" gemeint sind. Jetzt heißt es im Bibeltext ganz ausdrücklich „Brüder und Schwestern".
Die Bedeutung der Frauen wird also sichtbarer gemacht?
Troyer: Es gibt eine Wachsamkeit für eine geschlechtergerechte Sprache und die Rolle der Frauen. Deshalb wurden auch manche Überschriften und Hinführungen verändert. Hieß es zum Beispiel früher „Gott zu Gast bei Abraham", lautet die Zeile neu: „Gott zu Gast bei Abraham und Sara". Anstelle der bisherigen Bezeichnung „Brief des Apostels Paulus an die Römer" heißt es nun: „Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde von Rom". Die „Söhne Gottes" werden jetzt vorwiegend als „Kinder Gottes" bezeichnet.
Was gilt es im Umgang mit der neuen Übersetzung zu beachten?
Troyer: Eine gründliche Vorbereitung der Verkündigung des Textes, wie sie für den Lektorendienst ohnehin wichtig ist, wird nun noch bedeutsamer. Denn die revidierte Fassung greift wieder auf die alten hebräischen und griechischen Sprachbilder und Satzformulierungen zurück. Diese wirken auf den ersten Blick ungewohnt und holprig.
Wie könnte eine Anleitung für den durchschnittlichen Menschen aussehen, der sich aus Interesse wieder einmal selbst in die Bibel einlesen möchte?
Troyer: Täglich einmal. Unser Bischof Hermann lädt ein, täglich 15 Minuten für ein einfaches und besonderes Gebet zu nützen. Die ersten fünf Minuten dienen dem Ruhigwerden: Wir brauchen diese Zeit, um die täglichen Gedanken und Sorgen zu spüren und anzunehmen. In den nächsten fünf Minuten lese ich eine Bibelstelle, am besten die Bibelworte des jeweiligen Tages. Das Gebet endet mit einem ausdrücklichen Fürbittgebet im Blick auf Menschen, die mir am Herzen liegen. Mein persönlicher Rat: Probier es, es wird dir guttun. Das Bibelpastoral bietet einen Bibelleseplan für das ganze Jahr an.
Manche Menschen behaupten, dass die meisten Osttiroler die Bibel auswendig kennen. Stimmt das?
Troyer: Einige antworten da wohl mit einem Lächeln: auswendig, ja, aber im Sinne von „von außen". Die Bibel, wann hattest du sie zuletzt in der Hand? Die Heilige Schrift gibt uns als Einzelpersonen und unseren Pfarrgemeinden ein realistisches und motivierendes Programm vor. Um Pfarrgemeinden Jesu Christi zu sein, ist es wichtig, dieses Parteiprogramm genau zu studieren. Es geht darum, die Bibel immer mehr inwendig zu kennen. Diese Schriften haben eine lange und auch abenteuerliche Geschichte.
Warum ist die neue Übersetzung notwendig geworden und wie ist sie entstanden? Wer hat daran mitgewirkt?
Troyer: Seit 1979 hat sich das Sprachempfinden verändert. Die Bibelwissenschaft erzielte einige neue Erkenntnisse und entdeckte in der Fassung von 1979 manche Fehler und Unklarheiten. Also hat man von 2006 bis 2016 die Einheitsübersetzung überarbeitet und verbessert. Die Leitung des Teams von Fachleuten hatte bis 2008 der Südtiroler Bischof Klaus Egger inne, dann der Erfurter Bischof Joachim Wanke. Der Vertreter der Kirche Österreichs im Leitungsteam war Bischof Alois Kothgasser. Leider misslang der Versuch einer ökumenischen Übersetzung.
Das Interview führte Christoph Blassnig