NGO-Dachverband: Entwicklungspolitik wird instrumentalisiert
Wien (APA) - Dass Europa in den vergangenen Jahren wieder verstärkt nach Afrika blickt, liegt nicht zuletzt am Thema Migration - auch wenn s...
Wien (APA) - Dass Europa in den vergangenen Jahren wieder verstärkt nach Afrika blickt, liegt nicht zuletzt am Thema Migration - auch wenn sie beim EU-Afrika-Forum in Wien offiziell kein Thema ist. Die viel zitierte „Hilfe vor Ort“ soll Fluchtursachen bekämpfen. Hier werde die Entwicklungspolitik aber von der Politik instrumentalisiert, kritisiert Annelies Vilim, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung.
In den vergangenen Jahren hätten Politiker immer wieder versucht, der Entwicklungspolitik etwas „umzuhängen, was sie nicht leisten kann. Nämlich Migration abzuwehren“, erklärt Vilim im Gespräch mit der APA. Entwicklungspolitik kann und soll dafür sorgen, dass Menschen Lebensgrundlagen und Perspektiven haben. In der Folge gibt es auch weniger Migration: „Dort, wo ein Leben in sozialer Sicherheit und politischer Stabilität möglich ist, machen sich weniger Menschen auf den Weg und Migration wird zu einer Möglichkeit unter vielen und nicht zu einer Notwendigkeit“, umschreibt es die Chefin des Dachverbandes, dem 35 österreichische entwicklungspolitische NGOs angehören.
Doch per Definition ist Fluchtursachenbekämpfung kein Ziel der Entwicklungspolitik - sondern Armut zu bekämpfen, Frieden zu schützen und die Umwelt zu erhalten. In den vergangenen Jahren sei die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) jedoch „ein bisschen überfrachtet“ worden, moniert Vilim.
Entwicklungshilfe könne nur „sehr, sehr begrenzt Einfluss nehmen, vor allem, wenn diplomatische, politische und wirtschaftliche Lösungen fehlen“. So könne sie nur einen „Beitrag leisten“, sagt Vilim mit Blick auf die herrschenden Handelsbeziehungen und -abkommen, die den Effekt von Entwicklungsprojekten oftmals konterkarieren. „Beim Thema Steuervermeidung etwa, da entgehen Milliarden, die für die Verbesserung der Lebensgrundlagen verwendet werden könnten. Oder Waffenexporte, die sicher nichts zu sicherheitserhaltenden Maßnahmen beitragen.“
Von der Bundesregierung fordern die heimischen NGOs eine bessere Umsetzung der „Agenda 2030“, den UNO-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDGs), die bisher sehr „schleppend“ verlaufe. Auch die heimischen Mittel für Entwicklungspolitik seien „beschämend gering“, Österreich könne nicht weiter „in der Regionalliga spielen“, kritisierte Vilim. Tatsächlich ist Österreichs offizielles Budget für Entwicklungshilfe (Official Development Aid, ODA) im vergangenen Jahr auf 0,3 Prozent des Bruttonationalproduktes (BNE) gesunken und liegt damit unter dem EU-Durchschnitt.
Die „Hilfe vor Ort“ sei zu einem „Schlagwort verkommen“, einer „leeren Worthülse, weil die Taten andere sind“. So sei eine Kürzung des Auslandskatastrophenfonds (AKF) von 20 auf 15 Mio. angekündigt worden (kurz darauf wurde eine Aufstockung auf 20 Mio. „im Bedarfsfall“ ins Spiel gebracht, Anm.) und die Mittel, „die nach Afrika gegangen sind, sind in den letzten Jahren auch zurückgegangen“, erklärt Vilim. „Die Glaubwürdigkeit ist verspielt.“
Unsere Maxime muss ein „Gutes Leben für alle sein“, wie in der UNO-Agenda festgehalten. Denn, „wer eine gute Zukunft für Österreich will, muss die ganze Welt im Blick haben“, betont Vilim. Hinsichtlich Migration wünscht sich Vilim von der Politik, „nicht Angst zu schüren, sondern Migration als das zu sehen, was sie ist. Als menschliche Konstante. Migration hat es immer gegeben und wird es immer geben.“
(Das Interview führte Christina Schwaha/APA.)