Salzburger Winterfest: Überleben nach der Apokalypse
Salzburg (APA) - Die Latte im zeitgenössischen Zirkus liegt hoch. Dass sich die Hürde mit der richtigen Mischung aus Artistik, Slapstick und...
Salzburg (APA) - Die Latte im zeitgenössischen Zirkus liegt hoch. Dass sich die Hürde mit der richtigen Mischung aus Artistik, Slapstick und Musik dennoch mühelos meistern lässt, zeigt in Salzburg derzeit die kanadische Truppe „Machine de Cirque“ aus Québec. Am Dienstagabend feierten die vier Akrobaten und ihr manischer Schlagzeuger mit dem gleichnamigen Stück beim diesjährigen Winterfest eine umjubelte Premiere.
Das Quintett zählt momentan international zu den gefragtesten Zirkusgruppen und hat für „Machine de Cirque“ ein surreales Untergangsszenario gewählt. Das Publikum verfolgt fünf Überlebende in einer postapokalyptischen Welt. Immer wieder suchen die Protagonisten Schutz vor Unwetter und Sturm, das Trinkwasser ist knapp, der Versuch, mit einer Antenne Signale zu empfangen, scheitert regelmäßig. Doch die Männer haben sich nach dem Weltuntergang ihre eigene Welt erschaffen und aus Fundstücken die für das Stück namensgebende Zirkusmaschine zusammengebaut: Ein hohes Stahlgerüst mit Rädern, Ketten und beweglichen Plattformen, dass einen Teil der Bühne einnimmt, und den Akteuren Spielplatz und Tribüne zugleich ist.
Kinogeher fühlen sich unschwer an „Mad Max“ oder die Verfilmung von Cormac McCarthys Roman „The Road“ erinnert, da kommt Untergangsstimmung auf. Doch von Lethargie und Pessimismus ist bei den Überlebenden wenig zu spüren. Das mag wohl dem Wahnsinn geschuldet sein, der in entbehrungsreichen Zeiten von den Akteuren Besitz ergriffen hat. Nach einem etwas langatmigen Start, der eher einer Aufwärmübung gleicht, nimmt „Machine de Cirque“ dann aber rasch an Tempo auf - immer getrieben vom energiegeladen Rhythmus des Schlagwerkers der Truppe, der alles und mit allem trommelt, was ihm in die Finger gerät: Gerüste, Tonnen, sogar seine Mitmenschen. Nebenbei bedient er eine Musikmaschine aus Altmetall und Plastik, spielt Hang, Keyboard und Gitarre und entlockt selbst einer drehenden Fahrradfelge stimmige Töne. Musik aus der Konserve - im wahrsten Sinne des Wortes.
Derweil vertreibt sich der liebenswerte und leicht ungepflegte Haufen der Artisten mit einer Reihe faszinierender bis spektakulärer Zirkusnummern die Zeit. Ein Trapezkünstler bringt sich selbst in eine immer aussichtslosere Lage, Jongleure schwingen Keulen in einem Tempo, dem man kaum noch folgen kann, ein Kunstrad-Fahrer verschafft dem Begriff „freihändig Fahren“ eine völlig neue Bedeutung, ein Einradfahrer wechselt fliegend auf ein immer größeres Modell. Am Ende schickt eine Wippe zwei Athleten in atemraubende Höhen, die bei Salti, Klappsprüngen und Drehungen keine Fehler erlauben. Dass bei der Premiere nicht jedes Kunststück beim ersten Versuch reibungslos geklappt hat, erhöht nur den Respekt vor den Leistungen der Truppe.
Zu einem unerwartet charmanten Highlight gerät schließlich auch eine schlichte Handtuchnummer. Die zunehmend verzweifelten Versuche der gschamigen Darsteller, ihre Nacktheit nach einem heftigen Regenguss mit weißen Badetüchern zu verhüllen, scheitert letztlich. Wie es ihnen gelingt, ihre Blöße dennoch geschickt zu bedecken und das Stück jugendfrei zu halten, sei hier nicht verraten.
(S E R V I C E: „Machine de Cirque“ beim Salzburger Winterfest. Künstlerischer Direktor: Vincent Dubé, Schlagwerk: Frédéric Lebrasseur, Zirkuskünstler: Yohann Trépanier, Raphaël Dubé, Ugo Dario, Maxim Laurin. Weitere Aufführungen am 19., 20., 21., 22., 23. (18.30), 27., 28., 29., 30. (18.30) und 31. (18.30) Dezember und am 02., 03., 04., 05. und 06. (18.30) Jänner. Beginn wenn nicht anders angegeben jeweils um 20.00 Uhr. Dauer: 90 Minuten. Karten für Erwachsene kosten zwischen 49 und 54 Euro, Kinder zahlen 19 Euro. Am 20. Dezember und am 3. Jänner findet ein offenes Künstlergespräch statt. Infos unter http://www.winterfest.at)