TT-Interview

Thomas Krauß: „Ich bin kein Provokateur“

Einen regelrechten Theaterskandal hat Thomas Krauß, Jg. 1963, in seiner Zeit am Tiroler Landestheater noch nicht erlebt.
© Rudy De Moor / TT

Landestheater-Schauspielchef Thomas Krauß steht vor zwei Premieren binnen einer Woche. Ein Gespräch über den Wert der Demokratie, kleine Gagen und das Diktat der Rollenvergabe.

Von Markus Schramek

Innsbruck — Das Tiroler Landestheater startet mit einer geballten Ladung Schauspiel ins neue Jahr. Heute Samstag (19 Uhr) steigt im Großen Haus die Premiere von „Radetzkymarsch", auf Basis des Romans von Joseph Roth. Nächsten Samstag folgt die Uraufführung des Stücks „Die Österreicherinnen", eines Auftragswerks aus der Feder von Thomas Arzt. Schauspieldirektor Thomas Krauß und sein Ensemble sind gefordert. Zwischen den Proben entstand dieses Gespräch.

Das Schauspiel steht am Landestheater die ganze Spielzeit im Zeichen von „100 Jahre Republik Österreich". Es werden nur Werke österreichischer Autoren und Dramatiker gespielt. Kann Theater historisches Bewusstsein schaffen?

Thomas Krauß: Der Bogen des Spielplans spannt sich von Franz Grillparzer bis zu modernen Stücken wie „Phantasma X" von Martin Plattner oder der Dramatisierung des Romans „Die Deutschlehrerin" von Judith Taschler. Die ausgewählten Stücke überspannen viele Jahrzehnte, sind aber zeitlos. Es geht um den Wert der Demokratie, also darum, dass sich die Bürger ihre „Herrscher" in Form von Wahlen selbst aussuchen. Demokratie darf nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden.

„Radetzkymarsch" spielt vor dem Hintergrund des auseinanderbrechenden Habsburgerreiches Anfang des 20. Jahrhunderts.

Krauß: Das Stück zeigt gut auf, was geschehen kann, wenn sich ein Staatsganzes nicht mehr weiterentwickelt. Im Text kommt der vielsagende Satz vor: „Die neue Religion ist der Nationalismus." Das ist mit Blick auf aktuelle Vorgänge bemerkenswert aktuell. Nationalistische Tendenzen gibt es noch immer in vielen Staaten der Welt.

Sie sind seit 2012/13 verantwortlich dafür, was am Landestheater gespielt wird. Haben Sie wegen eines Stücks schon einmal einen Shitstorm erlebt, die moderne Form eines Theaterskandals?

Krauß: Nein, noch nicht. Ich bin kein Provokateur. Mich interessiert das Thema. Inhaltliche Auseinandersetzung ist, was ich anstrebe, nicht Provokation der Provokation wegen. Ich will bei Aufführungen niemandem mit der Faust auf die Nase hauen. Das Tiroler Landestheater hat die Aufgabe, möglichst viele Menschen im Land zu erreichen. Es kommt also auf den richtigen Mix der Stücke an.

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Mit Philip Brehl, der in „Radetzkymarsch" den jungen von Trotta spielt, gibt es ein neues Ensemblemitglied. Wie groß ist der Andrang von Schauspielern, die gerne am Tiroler Landestheater anheuern würden?

Krauß: Es gibt viele Bewerbungen, bisweilen an die zehn pro Tag. Der Andrang ist also schon groß. Viele kommen von weit her, sogar von Rostock oder Hamburg. Wir haben insgesamt 22 Stellen für Schauspieler, derzeit sind sieben Frauen und neun Männer fix unter Vertrag. Der Rest ist nach pensionsbedingten Abgängen unbesetzt. Unser Altersschnitt liegt so um die 40 Jahre, schätze ich.

Die Bezahlung speziell von jungen Schauspielern ist nicht gerade üppig.

Krauß: Die Bezahlung ist tatsächlich schlecht. Für einen Absolventen der Schauspielschule beträgt das Einstiegsgehalt laut Kollektivvertrag 1900 Euro brutto. Reich werden in diesem Beruf wenige.

Die Besetzung von Stücken, also wer welche Rolle erhält, ist immer Ihre Zuständigkeit, auch wenn Sie nicht selbst Regie führen.

Krauß: Ja, das ist immer meine Aufgabe. Ich teile die Rollen zu. Ich plane die ganze Saison so, dass jeder im Ensemble beschäftigt ist. Professionelle Schauspieler müssen „den siebten Zwerg von links" mit der gleichen Hingabe spielen wie eine Hauptrolle à la Faust. Natürlich gibt es da Wünsche von Seiten der Schauspieler. Doch die Entscheidung liegt bei mir. Auch eine kleine Rolle kann man wirkungsvoll umsetzen — frei nach dem viel zitierten Spruch: „Es gibt keine kleinen Rollen, es gibt nur kleine Schauspieler."

Gelegentlich ist ein Murren zu hören ob des hohen Anteils deutscher Schauspieler am Landestheater. Sind deutsche Mimen leichter zu finden als österreichische?

Krauß: Es ist schon interessant: Beim Tanz oder in der Oper spielt die Herkunft der Künstler selten eine Rolle. Aber auch bei Bühnenschauspielern kommt es nicht auf den Pass an, sondern auf die Qualität und darauf, ob sie ins Ensemble passen. Dennoch achte ich auf Ausgewogenheit zwischen Österreichern und Deutschen. Die Tiroler Ensemblemitglieder Lisa Hörtnagl und Helmuth Häusler haben das Haus auf eigenen Wunsch verlassen. Lisa haben wir mit der Tirolerin Ronja Forcher nachbesetzt.

Ronja Forcher wird das Landestheater mit Ende der Saison wieder verlassen.

Krauß: Ronja möchte sich anderen Projekten widmen. Sie hat aber vor, zu einem späteren Zeitpunkt zu uns zurückzukehren. Ihre Stelle wird im Herbst mit der jungen Kärntnerin Christina Polzer nachbesetzt.

Standen Sie selbst auch auf der Bühne?

Krauß: Ja, aber schon lange nicht mehr, das war damals in Bayreuth, wo ich herkomme. Es gibt viele, die es viel besser können — die Schauspielerei meine ich.

Sie wurden von Intendant Johannes Reitmeier geholt. Ist Ihr Vertrag zeitlich an den des Chefs gebunden?

Krauß: Ja. Natürlich sucht sich jeder Theaterintendant seine Abteilungsleiter selber aus. Ich fühle mich in Innsbruck jedenfalls sehr wohl.

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