Vielschichtiges Kunst-Buch: Barbara Zemans Debütroman „Immerjahn“

Wien (APA) - Was für eine Kunstsammlung! „Leonardo da Vinci war einer der wenigen Künstler, den er mochte und von dem er nichts besaß“, heiß...

Wien (APA) - Was für eine Kunstsammlung! „Leonardo da Vinci war einer der wenigen Künstler, den er mochte und von dem er nichts besaß“, heißt es schon nach wenigen Seiten über den steinreichen Erben Immerjahn, der sich entschlossen hat, die von Mies van der Rohe erbaute Familienvilla als Kunstmuseum zugänglich zu machen. In den Tagen vor der Eröffnung spielt Barbara Zemans Debütroman „Immerjahn“.

Gleich einige Gemälde von van Gogh, eine Skulptur von Lehmbruck, Bilder von Malewitsch, Whistler, Bacon, de Chirico, Arbeiten von Max Beckmann, Paul Klee und Paula Modersohn-Becker, Werke, die seit langem als verschollen gelten oder die man im Besitz des Sultans von Brunei wähnt - das neue Privatmuseum auf dem „Hagebuttenberg“ müsste eine Sensation sein und ein logistisch herausforderndes Großunternehmen. Doch alle notwendigen Adaptierungsmaßnahmen scheinen erst im letzten Moment zu passieren, im großen Ausstellungssaal hat sogar ein Freund der Familie sein Quartier aufgeschlagen. Und dann entlässt Immerjahn noch seine nymphomanische Assistentin Polly, die alle Fäden in der Hand hält. Diese rächt sich, indem sie alle Arbeiter und Handwerker abbestellt. Das Chaos ist perfekt.

Auch die Autorin, 1981 im Burgenland geboren, seit 18 Jahren in Wien lebend und 2012 mit dem Wartholz-Literaturpreis ausgezeichnet, gibt dem Leser keinen Orientierungsplan in die Hand. Ihr Roman gibt keine Richtung vor und folgt der geradezu aufreizenden Entschlusslosigkeit, die nicht nur mit dem von ihm betriebenen Museumsprojekt, sondern auch mit der Zielstrebigkeit von Immerjahns Sohn Raffael kontrastiert. Dieser ist Weltklasse-Schwimmer, und sein erfolgreiches Antreten bei den Olympischen Spielen, zu Hause über Fernseh-Liveübertragung verfolgt, bietet einen von vielen Nebensträngen dieses sich nach allen Richtungen verzweigenden Buches.

Immerjahns Gattin Katka, der Maler Fritzwalter, einziger zeitgenössischer Künstler in Immerjahns Kollektion und in eine vermutlich andauernde Affäre mit Katka verstrickt, der Freund Holm, seit Jugend mit Wohnrecht bei Immerjahns ausgestattet, die alte Haushälterin Frau Manzur - sie sind das Personal, mit denen man es in wechselnden Konstellationen und Situationen zu tun bekommt, ohne dass die Handlung sonderlich vorangetrieben würde.

Als Barbara Zeman in Wartholz für ihren Text „Garten. Ansichten mit Frau und zerrissenem Mann vor Paradiesstaude“ ausgezeichnet wurde, lobte die Jury ihre „Übersetzungsarbeit von der Kunst des Gemäldes in die Kunst der Sprache“. Das ist wohl auch der Schlüssel, um sich mit Gewinn auf dieses eigenwillige Kunst-Buch, das am morgigen Dienstag im Wiener Literaturhaus vorgestellt wird, einzulassen: sich einer Sprache anzuvertrauen, die zwischen Naturwahrnehmung und Kunstinterpretation, Ennui und Melancholie noch nicht ausgetretene Pfade zu beschreiten versucht, die hinschaut und nachhorcht und ganz wie der Protagonist und Titelheld für nichts Rezepte parat hat.

Sucht man ein durchgehendes Motiv in „Immerjahn“, dann ist es wohl die Polarität: Rückzug und Öffnung, Tatkraft und Lähmung, Kunst und Leben, Licht und Schatten. Die Eröffnung des Museums erleben die Leser nicht. Aber ein Ende, in dem auch das Medium Wasser für Vater und Sohn ganz gegenläufige Bedeutung bekommt.

(S E R V I C E - Barbara Zeman: „Immerjahn“, Hoffmann & Campe, 288 Seiten, 22,70 Euro; Buchpräsentation: Dienstag, 5.2., 19 Uhr, Literaturhaus, Wien 7, Seidengasse 13)