Abgeholzte Wälder, Mafia-Strukturen: Die dunklen Seiten der Avocado
Bei der Trendfrucht ist nichts im grünen Bereich: In Europa explodiert der Konsum. In den Anbauländern kommt es zu großen Umweltproblemen. Einige Spitzenköche verzichten bereits auf die Avocado.
Von Deborah Darnhofer
Innsbruck — Auf dem Frühstückstoast, mit pochiertem Ei, im Salat oder als Dip (Guacamole) zu Chips: Die grünen Avocados sind derzeit eine der beliebtesten Früchte. Kaum ein Koch oder Lokal, das trendig sein will, kommt daran vorbei. Im Internet kursieren Millionen ansehnliche Bilder. Die 2016 von Produzentenländern gegründete Welt-Avocado-Organisation (WAO) jubelt über den Rummel und tut dazu mit millionenschwerer Werbung ihr Übriges.
Nachfrage dramatisch gestiegen
Gerade verkündete sie, dass der Konsum in Europa in zwei Jahren um 65 Prozent angestiegen ist. 2018 wurden 650.000 Tonnen Avocados konsumiert. Auch in Österreich hat sich der Verbrauch zuletzt vervielfacht. Wurden 2010 3061 Tonnen importiert, waren es 2016 schon 7680 Tonnen. Was für die einen moderner und gesunder Genuss bedeutet, ist für andere — für die südlichen Anbauländer, deren Bewohner und die dortige Umwelt — ein Graus. Durch die rasant gestiegene Nachfrage ist die Produktion unter vielfach bedenklichen Umständen hochgefahren worden. „Es gibt eine dramatische Steigerung. Die Massenproduktion ist das Problem", betont Jens Karg, Leiter der Abteilung Lebensmittel und Landwirtschaft bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Österreich.
Zahlen und Fakten
- 650.000 Tonnen Avocados wurden 2018 in Europa konsumiert. Das bedeutet gegen-über 2016 eine Steigerung von 65 Prozent.
- 8,3 Mio. Kilogramm der Trendfrucht wurden 2017 nach Österreich importiert. 2008 waren es 1,9 Millionen Kilogramm gewesen.
- 564.000 Hektar betrug 2016 die weltweite Anbaufläche. Für neue Plantagen werden pro Jahr bis zu 4000 Hektar Wald gerodet.
Im Hauptanbauland Mexiko, woher 40 Prozent der weltweiten Ernte kommen, würden pro Jahr 4000 Hektar Wälder abgeholzt. Das seien mehr als 5600 Fußballfelder, verdeutlicht Karg die Dimensionen. Dabei gäbe es im Avocado-Geschäft schon längst „mafiöse Strukturen, so dass sich kleine Bauern nicht zur Wehr setzen können". Auch illegale Plantagen sind ein Thema und Drogenkartelle aktiv, soll ein Hektar Avocado-Bäume doch 4900 Euro pro Jahr einbringen. „Nicht umsonst spricht man vom grünen Gold. Doch der Bevölkerung bleibt davon wenig bis nichts", meint Karg. Nicht nur der Wald, auch das Wasser wird durch den extensiven Avocado-Anbau geschädigt.
Wasser wird buchstäblich abgegraben
Durch den teils hohen Einsatz von Pestiziden ist vielerorts das Grundwasser verunreinigt. Auch treten Atemwegs- und Magenbeschwerden bei den dort lebenden Menschen auf, wie lokale Umweltorganisationen nicht müde werden zu berichten. Sicherheitsvorkehrungen, gesetzliche Bestimmungen zum Pestizideinsatz und eingehaltene Grenzwerte, wie in der Europäischen Union streng geregelt, sind in Mexiko und den anderen Anbauländern (u. a. Kolumbien, Peru, Chile, Brasilien, Kenia und Südafrika) Mangelware.
Die giftigen Stoffe stellen aber auch ein Gesundheitsrisiko für Konsumenten in Europa dar. Karg gibt daher einen Tipp aus: Avocados sollten vor dem Anschneiden gewaschen und abgetrocknet werden, um auf der Schale befindliche Pestizide nicht auf das Fruchtfleisch zu bringen. Aber zurück zu den riesigen Plantagen: Dort ist der Wasserverbrauch ein weiteres großes Problem. „Für ein Kilogramm Avocados werden 1000 Liter Wasser benötigt, das sind sieben Badewannen", weiß der Umweltexperte aus Wien. „Den Kleinbauern und der Bevölkerung wird buchstäblich das Wasser abgegraben. Flüsse trocknen aus, Quellen werden umgeleitet", sagt Karg.
Zahlen und Fakten
- 1000 Liter Wasser werden für ein Kilogramm Avocados benötigt. Zum Vergleich: Für ein Kilo Tomaten sind es 200 Liter Wasser
- 4900 Euro soll ein Hektar Avocado-Bäume pro Jahr einbringen. In Tirol kostet derzeit eine Frucht um die zwei Euro.
Transport ist weitere Belastung
Die WAO will die Kritik freilich beschwichtigen. Die grünen Früchte würden vor allem in regenreichen Regionen angebaut. Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln sei der Wasserverbrauch moderat. So werden für ein Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter Wasser benötigt. Außerdem sei die Pestizidbelastung laut Analysen viel niedriger als angenommen. Den Beteuerungen der Lobbyisten-Gruppe wird von Umweltschützerseite wenig Glauben geschenkt.
Nach dem Anbau stellt der Transport zu den Märkten eine weitere Belastung dar: Wie Karg feststellt, werden Avocados auf sechs Grad heruntergekühlt und dick verpackt, um sie unversehrt quer über den Erdball zu schicken. „Das bedeutet zusätzlich viel Strom- und CO2-Verbrauch."
Mittlerweile registriert die Gastro-Szene einen fahlen Beigeschmack. Der irische Sternekoch JP McMahon vergleicht die Avocados gar mit „Blutdiamanten". In England und der Schweiz verzichten einige Restaurants bereits auf die Trendfrucht. Auch der Sterne-Koch Paul Ivic aus Serfaus lässt laut Kurierangaben in seinen vegetarischen „Tian"-Lokalen die Finger von den grünen Früchten. Verzichtverweigerern gibt Karg Folgendes mit: „In Maßen genießen, jene mit EU-Biosiegel kaufen und Avocados aus Spanien und Israel bevorzugen." Dort gelten strengere Bestimmungen.