Medienfreiheit: Von Mobbing im Netz zu Attacken auf der Straße

Wien/Menlo Park (APA) - Die Art, wie wir mit Journalisten umgehen, spiegelt die Gesundheit unserer Gesellschaft wider, hat die Journalistin ...

Wien/Menlo Park (APA) - Die Art, wie wir mit Journalisten umgehen, spiegelt die Gesundheit unserer Gesellschaft wider, hat die Journalistin Ingrid Brodnig im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Media Freedom: Safety in the Digital Space“ am Dienstagabend im Haus der Europäischen Union gesagt. Im Kontext der zunehmenden Risiken für Journalisten zeige dies, dass die Gesundheit unserer Gesellschaft abnehme.

Mit am Podium saßen Harlem Désir, OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit, und Sian MacLeod, Botschafterin des Vereinigten Königreichs bei der OSZE. Moderiert wurde der Abend von Rubina Möhring von Reporter ohne Grenzen. Ein zentrales Thema des Abends war die Suche nach Antworten darauf, wie Regierungen sowie auch Medienorganisationen selbst mit den veränderten Rahmenbedingungen für die Arbeit von Journalisten im digitalen Raum umgehen sollten.

Dazu kam die OSZE im vergangenen Dezember zu einem gemeinsamen Beschluss aller 57 Mitgliedsstaaten, was MacLeod als „bahnbrechend“ bezeichnete, da er die Veränderungen von Journalismus und Technologie anerkenne und die Gefahren im digitalen Raum thematisiere. „Aber es ist nur ein Stück Papier. Jetzt müssen wir in die Hauptstädte zurück und die Umsetzung vorwärtstreiben“, sagte sie.

„Regierungen haben anerkannt, dass Journalisten zunehmend wegen ihrer Arbeit attackiert und umgebracht werden“, so Désir. Dies sei ein erster Schritt. Zwar sei der Beschluss unverbindlich, doch gäbe es nun ein Druckmittel mehr, dass die internationale Gemeinschaft, sowie die Zivilgesellschaft verwenden können, um Regierungen zur Verantwortung zu ziehen.

Brodnig nannte das Beispiel, dass Corinna Milborn online wüst von einem User beschimpft wurde: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie am Heimweg überfallen und von einer wildgewordenen Horde Afrikaner vergewaltigt werden“, las Brodnig die Attacke vor. Milborn hat den Mann daraufhin zuhause besucht, um über die Äußerung zu sprechen. Er sei wegen einem Gerücht aufgebracht gewesen, das online kursierte: Diesem zufolge sei eine Frau auf der Straße vergewaltigt worden, die Medien hätten es verschwiegen. Der Fall verdeutlicht die große Problematik von „Fake News“ im Netz.

„Populistische Parteien haben sich Räume geschaffen, die traditionellen Medien gegenüber sehr feindlich eingestellt sind“, sagte Brodnig. Dass Politiker wie Donald Trump, aber auch Heinz-Christian Strache Menschen dazu aufriefen, keine traditionellen Medien mehr zu lesen und sich Nachrichten stattdessen aus „alternativen“ Quellen zu holen, erhöhe den Druck weiter, so die Journalistin. Die Berichterstattung der gemeinten alternativen Medien stünde oft ein Einklang mit der Position dieser Politiker - in einigen Fällen würden sie sogar direkt zusammenarbeiten.

Als anderes Beispiel nannte sie Colette Schmidt, die für den Standard häufig zu Burschenschaften recherchierte. Eine Gruppe veröffentlichte ein Foto der Journalistin, gemeinsam mit ihrer Email-Adresse. „Ein furchtbarer Shitstorm folgte und sie entschied, eine Zeit lang nicht mehr über die Partei zu berichten“, sagte Brodnig.

Aufgrund von Fällen wie diesem fordert der neue OSZE-Beschluss Politiker dazu auf, Kampagnen gegen Journalisten zu stoppen. „Sie erhöhen das Risiko, dass Journalisten bedroht werden“, sagte Désir. Genauso wie Mobbing in Schulen in der Gesellschaft breit diskutiert werden, müsse auch dieses Problem im Fall von Journalisten öfter thematisiert werden. Mobbing-Kampagnen müssen als Attacke gegen die freie Presse erkannt werden, so Désir weiter. Insgesamt sei der digitale Raum „zum Jagdrevier geworden, um Journalisten zu attackieren.“

Neben der Verantwortung der Politik in Bezug auf den Schutz von Journalisten thematisierte das Podium auch die Rolle von sozialen Plattformen - etwa die Entscheidung von Facebook, ein Archiv der ganzen politischen Werbung in dem Netzwerk zu erstellen. „Gleichzeitig wurde aber der Zugriff von Organisationen wie ‚ProPublica‘ und ‚Who targets me in the UK?‘ eingeschränkt. Mithilfe von diesen konnten Journalisten Hetzkampagnen leichter finden“, so Brodnig. Nun liege es in der alleinigen Hand von Facebook, zu entscheiden, welche Organisationen als politisch gelten und somit im Archiv gespeichert werden. Demokratiepolitisch sei das schwierig.

Eine große Herausforderung sei außerdem die Art, wie Plattformen mit der Moderierung von User-Diskussionen umgehen, sagte Désir. Einerseits müssen sie mehr Verantwortung für Hasspostings und Ähnliches übernehmen. Andererseits bestehe die Gefahr, dass sie dann zu viel löschen. „Es gab etwa schon Fälle, dass Satire oder andere kritische Inhalte entfernt wurden“, fügte Désir hinzu.

Angesichts der vielen Herausforderungen sprach sich Möhring abschließend dafür aus, Kinder schon ab sechs oder sieben Jahren im Schulunterricht mit dem Internet vertraut zu machen und etwa auf Wörter aufmerksam zu machen, die häufig von Extremisten gebraucht werden. „Regierungen müssen das erkennen und den Unterricht dementsprechend gestalten - hoffentlich bevor es zu spät ist“, sagte sie.

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