,,Wissen, wie es richtig geht“: Mit 70 die Kochlehre absolviert
Der pensionierte Lehrer Oswald Blassnig versorgt die Lienzer Franziskanerbrüder schon seit 2010 kulinarisch. Nun darf er sich Koch mit Lehrabschlussprüfung nennen.
Von Catharina Oblasser
Lienz –Ein 70-jähriger Lehrling ist wahrlich nichts Alltägliches. Doch genau das war der Lienzer Oswald „Ossi“ Blassnig zwischen 1. Oktober 2018 und 21. Jänner 2019. Der pensionierte Lehrer und Schuldirektor hat sich entschlossen, im zweiten Bildungsweg eine Kochlehre anzugehen. Möglich war das im Wifi in Innsbruck.
Eine Kochlehre zu wählen kam für Blassnig nicht von ungefähr. Er hat jahrelange Praxis als Küchenchef im Franziskanerkloster Lienz. „Ich bereite seit 2010 das Mittagessen für vier Patres und einen Bruder zu“, erzählt der Pensionist. Blassnig ist Orgelspieler in der Franziskanerkirche und wirkt auch in einem Musikensemble mit. „Damals hat mir der Vorsteher geklagt, dass die Köchin weggeht und man keinen Ersatz finden könne“, so Ossi Blassnig weiter. „Da habe ich spontan angeboten, das Kochen zu übernehmen.“ Seither ist er sechsmal die Woche im kulinarischen Einsatz, auch an Sonn- und Feiertagen. Nur der Mittwoch ist frei.
Eine einschlägige Ausbildung hatte der einstige Lehrer nicht. „Kochen war für mich immer schon reizvoll und spannend. Ich habe auch einen Kurs an der Volkshochschule besucht. Natürlich musste ich mich anfangs sehr bemühen“, schildert der Kloster-Koch. Zu Beginn sei nicht alles so gelungen wie vorgesehen, aber die Mönche seien zum Glück „nix heikel“, wie Blassnig mit einem Schmunzeln hinzufügt.
Die Palette der Gerichte, die es bei den Lienzer Franziskanern zu Mittag gibt, ist vielfältig. Sie reicht von Kasspatzeln, Krautstrudel und Fisch am Freitag über gefüllte Paprika bis hin zu Nudelgerichten und Fleisch. Suppe gibt es täglich. Und jeder darf sich an seinem Namenstag wünschen, was gekocht werden soll.
Eigentlich war das Arrangement sowohl für die Franziskaner als auch für Ossi Blassnig zu ihrer Zufriedenheit. Dennoch entschloss sich der Pensionist, eine Lehre zu machen. „Ich wollte einfach wissen, wie es richtig geht“, begründet er heute. So wurde der 70-Jährige zum Kochlehrling. Die Ausbildung konnte er in stark komprimierter Form in Angriff nehmen. „Meine Tätigkeit als Koch im Kloster wurde mir als Praxis anerkannt“, erklärt Blassnig.
Zwischen Kursbeginn am 1. Oktober und der letzten Prüfung am 21. Jänner galt es zu büffeln: Waren- und Ernährungskunde, Hygiene in der Küche, Mathematik und Kalkulation standen unter anderem auf dem Stundenplan. Drei Wochen der Ausbildung waren praktischen Übungen gewidmet. Am 21. Jänner musste sich der Pensionist schließlich vor einer Jury im Kochen beweisen. „Man bekommt bestimmte Lebensmittel zugeteilt und muss daraus etwas zubereiten“, schildert Blassnig. Sein Prüfungsmenü lässt allen Gourmets das Wasser im Munde zusammenlaufen: Es gab Sellerie-Apfelschaumsuppe mit Anchovis-Blätterteigschnecken, Petersilienrisotto mit Forelle, rosa gebratenes Schweinefilet mit Portweinsauce und gedeckte Apfeltörtchen mit Orangen-Zabaione.
Am Abend des 21. Jänner hatte Blassnig schließlich Gewissheit: Die Lehrabschlussprüfung als 70-jähriger Koch war bestanden. „Das war gar nicht so selbstverständlich. Wir haben die Ausbildung zu siebt begonnen, drei sind durchgefallen“, berichtet der Lienzer.
Inzwischen ist Blassnig in der Klosterküche wieder in Amt und Würden, nun aber als „richtiger“ Koch. Was sich durch die Lehre geändert hat? „Ich habe gelernt, dass Teflonpfannen und Suppenpulver tabu sind. Und dass die Optik wichtig ist“, zieht Blassnig Bilanz. „Ein schön angerichtetes Essen schmeckt auch gleich viel besser.“