Madrid gerät im Katalonien-Konflikt unter Druck
Madrid/Barcelona (APA) - Nächste Woche beginnt in Madrid der Prozess gegen neun katalanische Separatistenführer. Die in Katalonien regierend...
Madrid/Barcelona (APA) - Nächste Woche beginnt in Madrid der Prozess gegen neun katalanische Separatistenführer. Die in Katalonien regierenden Linksrepublikaner (ERC) und Carles Puigdemonts PDeCAT, wollen den geplanten Haushaltsplan von Ministerpräsidenten Pedro Sanchez (PSOE) ablehnen, sollte es keine Zugeständnissen im Prozess gegen die „politischen Gefangenen“ und bei den Verhandlungen zum Unabhängigkeitsprozess geben.
Damit wollen sie Sanchez stärker unter Druck setzen und zu Zugeständnissen zwingen, da dessen sozialistische Minderheitsregierung von der Unterstützung der beiden separatistischen Parteien abhängig ist. Sollte Sanchez keinen Haushalt verabschieden können, drohen in Spanien Neuwahlen. Unterdessen versuchen auch die separatistischen Bürgerbewegungen im Vorfeld des Gerichtsprozesses den Druck auf Madrid zu erhöhen.
Die selbst ernannten „Komitees zur Verteidigung der Republik“ forderten über soziale Medien alle katalanischen Fußball-Fans auf, die internationale Medienaufmerksamkeit auf das heute Abend in Barcelona stattfindende Halbfinal-Spiel im spanischen Königs-Pokal zwischen den Spitzenteams FC Barcelona und Real Madrid zu nutzen. Um auf den Katalonien-Konflikt aufmerksam zu machen und gegen die „spanische Verfolgerjustiz“ zu protestieren, sollen die Fans mit Unabhängigkeitsflaggen und gelben Luftballons als Solidaritätszeichen mit den „politischen Gefangenen“ ins Stadion kommen.
Je größer der Druck der Separatisten auf Ministerpräsident Sanchez wird, desto mehr steigt auch der Druck der Gegenseite. Vor allem die konservative Volkspartei (PP) und die liberal-konservativen Ciudadanos warnten Sanchez davor, den Separatisten auch nur einen Zentimeter entgegenzukommen. „Sollte Sanchez die Einheit Spaniens aufs Spiel setzen, nur um den Haushalt verabschieden und so an der Macht bleiben zu können, werden wir das zu verhindern wissen“, erklärte PP-Sprecherin Dolors Montserrat am Mittwochmorgen im Interview mit dem spanischen Nationalradio RNE.
Die Oppositionsparteien verschärften die Kritik an Sanchez, nachdem gestern eine Liste von 21 Forderungen ans Licht kam, die Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra an Spaniens Premier Sanchez bei dessen Barcelona-Besuch kurz vor Weihnachten übergab. Darin forderte Torra unter anderem internationale Vermittler im Katalonien-Konflikt, Straffreiheit für die angeklagten Separatistenführer, ein legales Unabhängigkeitsreferendum und das Ende der spanischen Monarchie.
Auch bei vielen Sozialisten und Regierungsmitgliedern scheint der Geduldsfaden mit den separatistischen Forderungen zu reißen. Außenminister Josep Borrell, Katalane und einer der entschiedensten Separatistengegner in der Zentralregierung, erklärte gestern, dass vielleicht die Zeit des Dialogs vorbei sein sollte.
Obwohl die sozialistische Regierung klarstellte, auf diese Forderungen nicht einzugehen, ließ Spaniens stellvertretende Regierungschefin Carmen Calvo am Dienstag durchblicken, eventuell eine Art neutralen „Koordinator“ zu akzeptieren, um den ins stocken geratenen Dialog zwischen Madrid und Barcelona wieder in Schwung zu bringen.
Elsa Artadi, Sprecherin der katalanischen Regionalregierung, bezeichnete diese Person allerdings als „Vermittler“, was wiederum Kritik der spanischen Oppositionsparteien erregte. Sanchez hebe die Putschisten, welche den spanischen Staat zerstören wollen, mit einem offiziellen Vermittler auf eine höhere Ebene und vermittle den Eindruck, es gehe um bilaterale Gespräche zwischen zwei ebenbürtigen Staaten, kritisierte PP-Sprecherin Dolors Montserrat und forderte sofortige Neuwahlen.
Spaniens Vize-Regierungschefin Carmen Calvo nahm sofort Stellung und verneinte, dass es einen „Vermittler“ geben werde. Dass semantische Details derzeit solch hohe Wellen in der spanischen Politik schlagen, zeigt wie dünn die Nerven vor allem mit Blick auf den kommende Woche beginnenden Prozess gegen die ehemaligen Separatistenführer liegen.
Am kommenden Dienstag beginnt vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid der Prozess gegen insgesamt neun Separatistenführer. Unter ihnen befinden sich sechs Mitglieder der ehemaligen Regionalregierung von Carles Puigdemont, die beiden damaligen Vorsitzenden der separatistischen Bürgerplattformen ANC und Omnium Cultural sowie Kataloniens ehemalige Parlamentsvorsitzende Carmen Forcadell. Wegen der Durchführung des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 werden sie der Rebellion, Aufruhr und der Veruntreuung öffentlicher Gelder angeklagt. Einigen Politiker wie Kataloniens ehemaligen Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister Oriol Junqueras drohen bis zu 25 Jahre Haft.