Neuer US-Justizminister Barr für Umgang mit Russland-Affäre zuständig

Washington (APA/AFP) - Bill Barr hat sich sehenden Auges auf einen der heikelsten Jobs in Washington eingelassen. Denn in absehbarer Zeit kö...

Washington (APA/AFP) - Bill Barr hat sich sehenden Auges auf einen der heikelsten Jobs in Washington eingelassen. Denn in absehbarer Zeit könnte der am Donnerstag vereidigte republikanische Justizminister mitten in einen politischen Wirbelsturm hineingeraten - wenn der Sonderermittler zur Russland-Affäre rund um Präsident Donald Trump seine Arbeit beendet. Barr ist für den Umgang mit dem Abschlussbericht zuständig.

Der neue Minister wird von der Opposition mit extremem Misstrauen beäugt. Das spiegelte sich auch im Senatsvotum über seine Nominierung wider. Fast geschlossen stimmten die Demokraten gegen Barr, der bereits von 1991 bis 1993 Justizminister war. Dass er dennoch die erforderliche Zustimmung der Kongresskammer bekam, verdankt er allein der dortigen knappen Mehrheit von Trumps Republikanern.

Den Argwohn der Opposition hatte Barr mit dezidiert kritischen Bewertungen von Muellers Ermittlungen im vergangenen Jahr geschürt. Der Sonderermittler untersucht mögliche geheime Absprachen zwischen Trump-Mitarbeitern und Moskau sowie den Verdacht der Justizbehinderung. Dieser Verdacht war durch die Entlassung von FBI-Chef James Comey im Mai 2017 ausgelöst worden, die Trump unter anderem mit den Ermittlungen der Bundespolizei zur Russland-Affäre begründet hatte.

Noch bevor ihn Trump für den Ministerjob auserkor, befand Barr in einem Memo für das Justizministerium, Comeys Rauswurf sei keine Justizbehinderung gewesen. Muellers Untersuchung sei in dieser Hinsicht „schwerwiegend falsch konzipiert“. Dies war zweifellos Musik in den Ohren des Präsidenten, der die Mueller-Ermittlungen als „Hexenjagd“ geißelt.

Deshalb überraschte es auch nicht, dass Trump im Dezember Barr zum Nachfolger des von ihm verachteten und verjagten Jeff Sessions ernannte. Während seines Nominierungsverfahrens bemühte sich Barr dann, die Sorgen der Opposition zu zerstreuen, er könnte als Trumps Handlanger den Sonderermittler ausbremsen. Er bestritt eine „Hexenjagd“ und kündigte an, er wolle Mueller seine Arbeit zu Ende bringen lassen.

Barr behielt sich allerdings vor, Muellers Abschlussbericht zumindest in Teilen der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Dies aber könnte ein heftiges politisches und juristisches Gefecht mit der Opposition auslösen.

Denn schließlich könnten Muellers Befunde potenziell gewaltige Konsequenzen für Trumps Präsidentschaft haben. Sollte der Sonderermittler gar auf konkrete Indizien für strafbare Aktivitäten des Präsidenten gestoßen sein, könnten sich die Demokraten veranlasst sehen, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Barr könnte also in das Zentrum eines historischen Ringens zwischen dem teilweise von den Demokraten beherrschten Kongress und dem Weißen Haus geraten.

Dass der 68-Jährige sich dennoch wieder auf das Ministeramt eingelassen hat, spricht für sein Selbstvertrauen. Es speist sich nicht nur aus seiner Regierungserfahrung, sondern auch aus seiner langjährigen Tätigkeit in der Privatwirtschaft, wo Barr hochrangige Managementpositionen bekleidete und Konzerne in Regulierungsstreitigkeiten mit den Behörden vertrat.

Der als Sohn von Hochschullehrern in New York aufgewachsene Barr arbeitete bereits als junger Mann für den Geheimdienst CIA. Später arbeitete er kurzzeitig unter Präsident Ronald Reagan im Weißen Haus. Nach mehreren anschließenden Jahren in einer Anwaltskanzlei trat Barr dann unter George H.W. Bush ins Justizministerium ein, wo er es binnen kurzer Zeit bis ins Ministeramt brachte.

In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten war Barr vor allem in der Telekommunikationsbranche tätig, unter anderem beim Verizon-Konzern. Barr dürfte aber klar sein, dass ihm seine weitgefächerte Berufserfahrung im neuen Job nur begrenzt helfen wird.

Im Senat bekannte sich Barr zur Aufgabe des Justizministers, das Recht „fair und unparteiisch“ anzuwenden. Trump hat allerdings immer wieder verdeutlicht, dass er solche Unabhängigkeit nicht sonderlich schätzt - Sessions hatte er geschasst, weil er sich von ihm nicht gegen die Mueller-Ermittlungen geschützt sah. Wie lange der neue Minister das Wohlwollen des Präsidenten genießt, könnte also davon abhängen, wie ernst es Barr mit seinem Bekenntnis zu einer „unparteiischen“ Amtsführung meint.