69. Berlinale: Außenseiter „Synonyme“ gewinnt Goldenen Bären

Berlin (APA/dpa) - Der Goldene Bär der Filmfestspiele in Berlin geht an das Drama „Synonyme“. Regisseur Nadav Lapid erzählt darin die Geschi...

Berlin (APA/dpa) - Der Goldene Bär der Filmfestspiele in Berlin geht an das Drama „Synonyme“. Regisseur Nadav Lapid erzählt darin die Geschichte eines Mannes, der in Paris seine israelischen Wurzeln hinter sich lassen möchte. Preise der Nebenjurys gab etwa für die österreichischen (Ko-)Produktionen „Earth“ von Nikolaus Geyrhalter, „Die Kinder der Toten“ von Kelly Copper und Pavol Liska sowie Maryam Zarees „Born in Evin“.

Diesmal konkurrierten 16 Filme um die wichtigsten Auszeichnungen der Berlinale, die neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt gehört. Es ist das erste Mal, dass ein Regisseur aus Israel den Goldenen Bären gewinnt. „Synonyme“ erzählt von Yoav, der seine Vergangenheit hinter sich lassen will. Er zieht nach Paris und lernt wie wild Französisch, weil er kein Hebräisch mehr sprechen will. Er sucht immer wieder nach neuen Wörtern - daran erinnert auch der Filmtitel „Synonyme“.

Der Film ist angelehnt an Lapids eigene Biografie. Der Regisseur wurde 1975 in Tel Aviv geboren, zog nach seinem Militärdienst nach Paris und wieder zurück. Die französisch-israelisch-deutsche Koproduktion galt unter Kritikern nicht unbedingt als Favorit. „Synonyme“ sei ein Film, der vielleicht in Israel oder Frankreich als skandalös bezeichnet werden könne, sagte Lapid. Aber für ihn sei der Film eine Feier des Kinos. Er hoffe, dass Menschen Wut, Zorn und Ablehnung auch als das anerkennen würden, was sie seien - nämlich die Geschwister von Gefühlen wie Bindung und Nähe.

Der Silberne Bär für die beste Regie ging an die Deutsche Angela Schanelec. Ihr Film „Ich war zuhause, aber“ thematisiert Trauer und die Kunst an sich. Wegen seiner sehr langsamen Bilder und unzusammenhängenden Szenen war der Film beim Publikum umstritten. Sie hoffe, dass ihr der Preis helfe, Geld für andere Projekte zu bekommen, sagte Schanelec. Das Drama „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt bekam den Alfred-Bauer-Preis. Er gilt einem Spielfilm, der „neue Perspektiven eröffnet“. Der Film handelt von einem schwierigen Mädchen, das von einer Unterkunft in die nächste kommt. Fatih Akins „Der Goldene Handschuh“ als dritter deutscher Film ging erwartungsgemäß leer aus.

Den Großen Preis der Jury holte am Samstagabend der französische Regisseur François Ozon mit „Gelobt sei Gott“ über Missbrauch in der katholischen Kirche. Als beste Darsteller wurden die Chinesen Yong Mei und Wang Jingchun ausgezeichnet. Sie spielen in „So Long, My Son“ ein Ehepaar, dessen Schicksal über 30 Jahre hinweg begleitet wird.

Für Debatten hatte auf der 69. Berlinale die Absage eines anderen chinesischen Beitrags gesorgt. „One Second“ von Zhang Yimou fiel aus. Als Grund wurden „technische Probleme“ bei der Postproduktion angegeben. Nach Einschätzung von Beobachtern erschien aber nicht ausgeschlossen, dass der Film der chinesischen Zensur zum Opfer fiel. Die Jury bedauerte die Absage. „Wir hoffen, dass wir diesen Film bald überall auf der Welt sehen können. Und wir haben ihn hier auf der Berlinale sehr vermisst“, sagte Binoche. Der Silberne Bär für das beste Drehbuch ging an ein Team um den Autor und Mafiakritiker Roberto Saviano. Dessen Film „Piranhas“ handelt von einer Jugendbande in Neapel, die in die Kriminalität abrutscht.

Bereits zuvor bekanntgegeben worden waren Auszeichnungen der Nebenjurys: Der Beitrag des Wiener Filmemachers Nikolaus Geyrhalter „Erde“ wurde mit dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet. Der FIPRESCI-Preis des Internationalen Verbandes der Filmkritik ging an den Film „Die Kinder der Toten“, eine Jelinek-Adaption der beiden Nature-Theater-of-Oklahoma-Macher Kelly Copper und Pavol Liska. Das Schwarz-Weiß-Essay „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ von Thomas Heise, eine deutsch-österreichische Koproduktion über die Geschichte seiner Familie, erhielt den vom Bundesverband kommunale Filmarbeit vergebenen Caligari-Filmpreis. Maryam Zarees dokumentarischen Spurensuche „Born in Evin“, ebenfalls eine deutsch-österreichische Koproduktion, erhielt den Kompass-Perspektive-Preis für den besten Film der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“.

Für Dieter Kosslick war die 69. Berlinale seine letzte als Direktor. Der 70-Jährige leitete das Filmfestival fast zwei Jahrzehnte lang. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte ihn zu seinem Abschied als „wahren Filmhelden“. Kosslick bekam auch wertvolle Skizzen der Kulissen in Fritz Langs legendärem Film „Metropolis“, dazu die Patenschaft für einen echten Brillenbären und einen Teddybären geschenkt. Künftig leiten Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek die Berlinale.