Tirol

Tödliche Kuh-Attacke im Pinnistal: Bauer soll 177.000 Euro zahlen

Im Pinnistal war schon 2014 vor dem Zusammentreffen von Hunden und Mutterkühen gewarnt worden. Ein Zaun wäre jedoch nötig gewesen.
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Ohne Zaun nicht sorgfältig genug verwahrt: Laut Urteil soll der Bauer nach der tödlichen Kuhattacke den Hinterbliebenen zusätzlich monatlich 1550 Euro Renten überweisen.

Von Reinhard Fellner

Innsbruck, Neustift – Die tödliche Kuhattacke im Pinnistal 2014 forderte nicht nur das Leben einer deutschen Urlauberin, sondern führte nach der Klage der Hinterbliebenen mit einem Gesamtstreitwert von 487.000 Euro nun am Innsbrucker Landesgericht auch zu einem Urteil von höchster Brisanz. Nach einem langen Beweisverfahren mit etlichen Zeugen und Sachverständigen – die TT berichtete – und einem Ortsaugenschein im Stubaital musste das Gericht nämlich entscheiden, ob die Mutterkuhherde auf der Almwiese vom Landwirt auch sorgfältig genug gehalten worden war.

Schließlich hatten die Hinterbliebenen damit argumentiert, dass der an der Pinnis­alm vorbeiführende Weg von Wanderern und Urlaubern stark frequentiert und als kinderfreundlich angepriesen sei. Genau aus diesem Grund wäre nach Ansicht von Ehemann und Sohn der Getöteten eine Abzäunung der Mutterkühe vom Weg nötig gewesen – zumal der Schutzinstinkt von Mutterkühen gegenüber ihren Kälbern bekannt gewesen sei.

Landwirt: Einzäunen der Weideflächen undenkbar

Dem widersprach wiederum der betroffene Landwirt vehement und stellte zu Verfahrensbeginn seine Sicht der Dinge und zur Landwirtschaft in Tirol klar. Undenkbar sei das Einzäunen von solchen Weiden, zumal im Pinnistal schon seit dem 16. Jahrhundert Weideflächen bestehen würden. „Ich kann das doch nicht alles einzäunen. Das wären ja 18 Kilometer. Der Boden ist hart und vor dem Winter muss das alles wieder raus. Wer sollte das alles je bezahlen?“, so der Landwirt 2017 zum Richter.

Dem landwirtschaftlichen Sachverständigen erschien die Beschilderung damals jedenfalls ausreichend und auch die Haltung artgerecht. Dazu sei der „Umgang und das fachliche Engagement des Landwirts gegenüber seinen Tieren als überdurchschnittlich zu bewerten“, lobte der Gutachter. Und führte letzten Monat aus, dass Hunde bei Mutterkühen instinktiv Stress auslösen würden.

Ein Zaun wäre jedoch nötig gewesen

Nach Ansicht des Landesgerichts entlastet all dies den Landwirt jedoch nicht. Im gestern an die Parteien zugestellten Urteil führt das Gericht nämlich aus, dass die Herde im Jahr 2014 nicht ordentlich verwahrt gewesen sei. Vor allem aufgrund des frequentierten Weges nahe der Pinnisalm wäre eine Sicherung der Tiere nötig gewesen. Durch das gänzliche Fehlen einer Abzäunung sei so zumindest eine Fahrlässigkeit verwirklicht worden. Während österreichweit Bauern bereits wegen grober Fahrlässigkeiten haften mussten, ist die Feststellung einer einfachen Fahrlässigkeit wegen Nichteinzäunen von Weidevieh auf der Alm in Tirol noch juristisches Neuland.

Die erkannte Fahrlässigkeit begründet für den Bauern jedenfalls nun die schadenersatzrechtliche Haftung eines Tierhalters – schließlich hatten die Hinterbliebenen ja Aufwendungen, Trauerschmerzensgeld und Renten eingeklagt. Dazu heißt es im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB): „Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.“ Demnach erhielt der Ehemann vorab 130.000 Euro plus 1200 Euro monatliche Rente und der Sohn 47.000 Euro plus 350 Euro Rente zugesprochen. Tiroler Landwirte müssen da zittern, das Höchstgericht entscheidet.