Bhutan - Österreich hilft bei Aufbau von „zeitgemäßem Rechtssystem“

Thimphu (APA) - Seit 30 Jahren ist Österreich institutionell im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) in Bhutan engagiert, punktuell w...

Thimphu (APA) - Seit 30 Jahren ist Österreich institutionell im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) in Bhutan engagiert, punktuell war das sogar schon vorher der Fall. Jährlich fließen rund 2,7 Millionen Euro in Projekte, die den Aufbau eines Rechtssystems und einer nachhaltigen Wasserkraftstechnologie sowie zivilgesellschaftliche Innovationen in dem im Umbruch befindlichen Himalaya-Königreich zum Ziel haben.

Aktuell bemühe sich Österreich, die bhutanesische Regierung bei einer umfassenden Rechtsreform zu unterstützen. Das erzählte Johannes Binder, Leiter des örtlichen Koordinationsbüros der Austrian Development Agency (ADA), Montagfrüh (Ortszeit) in der Hauptstadt Thimphu im Gespräch mit der APA. Anlass war ein Besuch von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), die am Vormittag im Zuge einer neuntägigen Südasienreise nach Indien weiterflog, wo am Abend (14.00 Uhr MEZ) ein Treffen mit Amtskollegin Sushma Swaraj angesetzt war.

Es gehe darum, in dem kleinen Bergland - Bhutan ist etwa halb so groß wie Österreich und hat um die 750.000 Einwohner - ein faires und zeitgemäßes Rechtssystem aufzubauen, so Binder zur APA. Daher habe Österreich mitgeholfen, durch den Bau von Bezirksgerichtshöfen schon rein physisch eine eigenständige Justiz zu etablieren. Früher sei die Justiz in die für die Verwaltung zuständigen Festungsburgen, den Dzongs, integriert gewesen.

In Studienlehrgängen in Österreich würden auch künftige Richter geschult, bilanzierte Binder. Zudem sei mit ADA-Hilfe die erste juridische Universität Bhutans errichtet worden. „Wir sind stolz, dass wir einen großen Anteil an Studentinnen haben“, freute sich Binder, „das ist sehr wichtig, weil es in Bhutan nur wenige weibliche Führungskräfte gibt.“

Es werde darauf geachtet, auch spezielle Bereiche des Rechtswesens in Bhutan zu etablieren: „Umweltrecht, Familienrecht, internationales Recht.“ Zudem soll auch bisher marginalisiert Bevölkerungsgruppen der Zugang zu Dienstleistungen im Rechtsbereich erleichtert werden. „Wir sprechen da von mittellosen Frauen, armen Bauern, Jugendlichen oder Menschen mit Behinderungen, die sich sonst keine Rechtshilfe leisten könnten“, so Binder. Daher wurde auch eine Rechtsanwaltskammer geschaffen, die Bedürftigen im Notfall auch kostenlos Rechtsberatung zukommen lässt.

Die bhutanesische Regierung habe in ihrem aktuellen Fünfjahresplan, der noch bis Mitte 2023 läuft, das Ziel formuliert, „eine harmonische und gerechte Gesellschaft“ zu schaffen, rekapitulierte Binder. Auch dieses Vorhaben werde von Österreich unterstützt. Etwa in dem ein leistungsorientiertes Ausbildungs- und Bewertungssystems für Beamte geschaffen worden sei.

Ein weiterer Schwerpunkt sei diesbezüglich die Schaffung von Sozial- und Gesundheitszentren für Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Integration in die Gesellschaft, so Binder. „Es ist wichtig, bereits Kinder und Jugendliche aus der Isolation zu holen, in Bhutans Gesellschaft sind behinderte Menschen immer noch stigmatisiert.“ Durch ihre Einbindung in die Privatwirtschaft („Im Tourismussektor haben wir etwa Sehbehinderte im Wellnessbereich als Masseure untergebracht“) werde gezeigt, dass auch gehandicapte Menschen „das Potenzial haben, an der Gesellschaft teilzunehmen“.

Mittels Studien - beispielsweise zu Gewalt gegen Frauen - sei auch versucht worden, das Thema „Gendergerechtigkeit“ zu promoten, betonte Binder. Durch seine Jahrhunderte dauernde Isolation - eine erste Öffnung nach Indien und den Westen erfolgte erst ab den 1960er Jahren, Fernsehen oder Verkehrswege kamen aber erst weitere 30 Jahre später dazu - befinde sich Bhutan immer noch in einem raschen Nachholprozess im Wandel von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft.

Doch versucht die Regierung Bhutans auch von dem Fehlern anderer Gesellschaften zu lernen. In Sachen Landwirtschaft soll insbesondere der Bio-Sektor ausgebaut werden, und bei der Wasserkraft werde auch seitens der österreichischen EZA-Unterstützer darauf geachtet, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz nicht zu kurz kommen. Weiters werde Wert darauf gelegt, dass bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Kraftwerken vor allem einheimische Fachkräfte zum Zug kommen.

Auch die Förderung von Kleinprojekten sei der ADA ein Anliegen, sagte Binder. Die Einsatzbereiche würden dabei mitunter verschwimmen. So werden im Kultursektor alte buddhistische Klöster („Sie stammen zum Teil aus dem 17. Jahrhundert“) restauriert. Dahinter steckt aber auch eine soziale Komponente. Diese Klöster sind noch bewohnt und „in Betrieb“. Sie sind aber auch die einzigen Orte in Bhutan, wo Waisenkinder unterkommen könnten. „Waisenhäuser oder ähnliche Einrichtungen gibt es nicht. Nur in den Klöstern haben elternlose Kinder eine Chance, auch eine Ausbildung zu bekommen.“

Diese Klöster bergen aber natürlich auch ein touristisches Potenzial. Bhutan setzt auf hochklassigen und eher elitären Fremdenverkehr, der Mindestausgaben von 250 US-Dollar pro Kopf und Tag für Unterkunft, Transport, Verpflegung und Guides vorsieht.

„Sie wollen keinen Massentourismus wie in Nepal“, erklärte Binder. Daher müsse aber auch das Angebot entsprechend hochklassig gestaltet werden. Österreich habe da mit dem Aufbau einer Tourismusfachschule („In Kooperation mit jener in Salzburg-Kleßheim“), dem in Thimphu ansässigen „Royal Institute for Tourism an Hospitality“, bereits viel geleistet.

Potenzial ist aber noch genügend vorhanden, blickte Binder bereits in die Zukunft. „Bhutan hat viele Schwefelquellen, die noch überhaupt nicht genutzt werden. In diesen Bereich wurde noch nicht investiert.“ Der „Aufbau von Kurorten“ sei also ein weiteres Gebiet, „wo Österreich Bhutan sein Know How anbieten könnte.“

(Das Gespräch führte Edgar Schütz/APA)