Vor 25 Jahren wurde Österreichs EU-Beitritt ausverhandelt
EU-weit (APA) - Vor 25 Jahren, am späten Abend des 1. März 1994, knallten in Brüssel die Champagnerkorken: Nach zähen, in der Schlussphase f...
EU-weit (APA) - Vor 25 Jahren, am späten Abend des 1. März 1994, knallten in Brüssel die Champagnerkorken: Nach zähen, in der Schlussphase fast vier Tage und Nächte non-stop geführten Verhandlungen, die die Verhandler an die Grenzen ihrer Belastbarkeit brachten, hatte Österreich seine Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union erfolgreich abgeschlossen - gemeinsam mit Schweden und Finnland.
„Ein großes Geschenk“ nannte Außenminister Alois Mock (ÖVP) - er hatte knapp drei Jahre zuvor auch schon den Beitrittsantrag Österreichs persönlich in Brüssel übergeben - den zu Ende gehenden Tag. Auch Europastaatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) meinte: „Ich bin sehr glücklich.“ Und dann, wie sie den Augenblick später beschrieb, „sehe ich da den Schatten näherkommen“ - den Schatten des von der Anstrengung, aber auch bereits von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichneten Alois Mock, der sich mit den Worten „Danke, liebe Kollegin“ zu ihr beugt und ihr vor laufenden Kameras das legendäre „Busserl“ auf die Wange drückt.
Ein unübliches Maß an Emotionalität, das von dem Druck zeugte, der von den Schultern der Verhandler abgefallen war. Praktisch bis zur letzten Minute und buchstäblich „Tag und Nacht“ war zuletzt über die Agrarpolitik, vor allem aber über das Ausmaß der Übernahme des Transitvertrags zwischen Wien und Brüssel gefeilscht worden, der seit 1992 Güterverkehr und Transit auf Österreichs Schienen und Straßen beschränkte. Allen voran Frankreich zeigte sich hier bis zum Schluss als zäher Gegner, der die Vertragsdauer deutlich verkürzen wollte.
Aber auch aus historischen Gründen waren die Franzosen bis zuletzt skeptisch, berichtete der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky später von „ruppigen“ Gesprächen mit seinem „Parteifreund“, dem französischen Präsidenten Francois Mitterand. Der habe, nachdem er schließlich doch seinen Widerstand aufgegeben hatte, gemeint, er habe „dem dritten deutschen Staat in die EU verholfen“. Ein „wirklicher Freund“ sei dagegen der deutsche Kanzler Helmut Kohl gewesen, erinnerte sich der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel (ÖVP). Kohl habe selbst bei der französischen Regierung angerufen, weil deren Vertreter für Mock nicht einmal zu erreichen gewesen seien.
Mit den letztlich doch erfolgreichen Verhandlungen war es aber - wie sich andernorts zeigen sollte - nicht getan: Am 12. Juni 1994 fand schließlich eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt statt - und ihr Ausgang überraschte sogar die Optimisten: 66,6 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen stimmten dafür, eine exakte Zwei-Drittel-Mehrheit. Brigitte Ederer, die sogar gegen ein derart eindeutiges Ergebnis gewettet hatte, kostete das einen dreitägigen Fußmarsch in den „Gnadenort“ Mariazell.
Zwei Wochen später folgte die Unterzeichnung der EU-Beitrittsverträge Österreichs, Schwedens, Finnlands und Norwegens auf der griechischen Insel Korfu. Parallel mit Österreich hatten nämlich zwischen März 1993 und März 1994 auch die drei nordeuropäischen Staaten mit Brüssel über die jeweiligen Beitrittsbedingungen verhandelt. Schweden und Finnland traten nach positiven Ergebnissen bei ihren Referenden gemeinsam mit Österreich am 1. Jänner 1995 der EU bei. Die Norweger hingegen machten ihrer Regierung im letzten Moment einen Strich durch die Rechnung: Sie stimmten Ende November 1994 mit rund 52 Prozent gegen das - vor allem in punkto Fischfang - mühsam ausverhandelte Beitrittspaket.
Sowohl Schweden als auch Finnland hatten in den frühen 1990er-Jahren schwere Finanz-, beziehungsweise Wirtschaftskrisen zu bewältigen, die sich innenpolitisch auch auf den Beitrittsprozess auswirkten und die konservativen Regierungen in beiden Ländern, unter denen die Beitrittsverhandlungen geführt worden waren, schon bald nach der Unterzeichnung in Korfu bei den Wahlen scheitern ließen.
Im Fall von Finnland war der Hauptgrund für die Krise im weitgehenden Zusammenbruch der Exportwirtschaft im Zusammenhang mit dem Ende der Sowjetunion zu suchen. Hinzu kam eine Schuldenkrise, Rezession und extrem hohe Arbeitslosigkeit. In Schweden war in erster Linie der Finanzsektor von der Krise betroffen. Hier war das Platzen einer Immobilienblase Auslöser der Krise, die die Landeswährung Krone unter Druck setzte und den Startschuss für tief greifende Veränderungen im umfangreichen Wohlfahrtsstaat setzte. Die Krise wird dafür verantwortlich gemacht, dass sich die ursprünglich EG-skeptischen schwedischen Sozialdemokraten zu Unterstützern des Beitrittsansuchens wandelten.
Finnland und Schweden erreichten in ihren Verhandlungen zahlreiche großzügige Übergangsfristen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie bei Umweltregeln. Finnland erhielt üppige Unterstützungen im Agrarbereich und boxte für die autonomen Åland-Inseln eine Ausnahme vom EU-Zollgebiet heraus, Schweden erkämpfte eine Ausnahme für den Verkauf des landestypischen Tabakartikels Snus.