Hoffen auf Bleiberecht: „Mehr an Integration geht eigentlich gar nicht“
Eine fünfköpfige Familie aus Armenien zittert in Inzing der Entscheidung über humanitäres Bleiberecht entgegen. Das Dorf steht hinter ihnen.
Von Michael Domanig
Inzing –„Wir haben natürlich Angst, die Ungewissheit jeden Tag ist schwer auszuhalten“, sagt Vartuhi Hagopyan. Seit fünf Jahren lebt die Armenierin mit ihren drei Söhnen (nun sieben, 13 und 15 Jahre alt) in Inzing, ihr Mann Manuk Yegikyan noch ein Jahr länger. Nach jahrelangem, nervenzehrendem Warten hoffen sie inständig auf eine positive (finale) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wo ihr Fall derzeit in zweiter Instanz liegt. Ob der Familie humanitäres Bleiberecht zugestanden wird oder nicht, kann sich jeden Tag entscheiden. Auch viele Inzinger fiebern diesem Tag entgegen.
Die Familie stammt aus der Provinz Armawir im Westen von Armenien. Über die näheren Hintergründe der Flucht möchte Vater Manuk lieber nicht sprechen. Nur so viel: In Österreich führte sein langer Weg über Kärnten, Götzens, Fieberbrunn und das Zirler Flüchtlingsheim nach Inzing. Dort war die Familie zunächst beim damaligen Pfarrer Andreas Tausch im Widum untergebracht, nun seit rund einem Jahr in einer Privatwohnung. „Wir wollen uns beim ganzen Dorf bedanken“, betont Mutter Vartuhi – insbesondere beim „Freundeskreis für Integration“ (FKFI), der 2015 auf Initiative von Pfarrer Tausch ins Leben gerufen wurde.
Beide Eltern haben seit Jahren einen 3-Euro-Job in der NMS/Volksschule Inzing: Vartuhi ist dort als Reinigungskraft tätig, Manuk hilft beim Rasenmähen, bei Malerarbeiten oder beim Fliesenlegen mit. Schulwart Luis Kranebitter kann beiden nur das beste Zeugnis ausstellen: „Sie sind äußerst verlässliche, bemühte Mitarbeiter.“ Rechtlich ist es beiden nur erlaubt, je 80 Stunden im Monat zu arbeiten, erst eine positive Entscheidung des Gerichts würde ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. In einem solchen Fall könne er sich „sicher vorstellen“, die beiden weiterzubeschäftigen, wenn es bei der Gemeinde freie Stellen gebe, sagt BM Sepp Walch – auch wenn er keine fixe Zusage geben könne. Wobei für ihn klar ist: „Beide sind so fleißig, dass sie keine Probleme hätten, auch am freien Markt etwas zu bekommen. Ich kann nur das Positivste über sie sagen.“
Auch Volksschuldirektor Volker Coreth spricht von einem „Musterbeispiel“ an Integration – zumal sich die Familie auch aktiv am Dorfleben beteiligt. Beim Vorbereiten von Festen wirkten sie ebenso mit wie beim Adventmarkt, wo Vartuhi armenisch aufkochte – das Geld wurde für die Kirchensanierung in Inzing gespendet. „Mein Traum wäre, als Köchin in einem Restaurant zu arbeiten“, meint die Mutter, die an der Erwachsenenschule selbst schon einen Kochkurs geleitet hat. Ihr Mann absolvierte eine Ausbildung bei der Feuerwehr – als Asylwerber darf er aber nicht Mitglied werden. Beide Elternteile haben das B1-Zertifikat in Deutsch.
Auch die Kinder, das wird allseits bestätigt, seien bestens integriert. So spielt der älteste Sohn Yeghya (der die HTL besucht) mit 15 schon in der Fußball-Kampfmannschaft der SU Inzing. „Die beiden Älteren reden so starken Inzinger Dialekt, dass wir sie kaum verstehen“, lacht Vartuhi.
„Mehr an Integration geht eigentlich gar nicht“, bilanziert Luis Strasser, Koordinator des rund 15-köpfigen Freundeskreises, der ca. 40 Geflüchtete in Inzing, aber auch Polling und Flaurling, begleitet, Kulturveranstaltungen und Sprachcafés organisiert. Die Inzinger hätten auch schon Dutzende Unterstützungsbriefe geschrieben, die ebenfalls belegen sollen, wie sehr die Familie zum Dorf gehört. Strasser ist sicher: Auch wenn Armenien als sicheres Herkunftsland eingestuft werde, könne die erzwungene Rückkehr für die Familie „gravierende Folgen“ haben. „Wir wollen einfach ohne Angst leben und unsere Kinder großziehen“, sagt die Mutter ernst.