Rote warnen Rote: „Dann verraten wir die Demokratie“
Nicht nur die NEOS und die Liste Jetzt warnen davor, den Regierungsparteien die nötige Verfassungsmehrheit für die „Sicherungshaft“ zu bringen. Das tun auch Sozialdemokraten.
Von Karin Leitner
und Peter Nindler
Wien –Im „Schmollwinkel“ ortet FPÖ-Innenminister Herbert Kickl die SPÖ und die NEOS in Sachen „Sicherungshaft“. Aus dem sollten sie kommen – um den Regierungsparteien die Verfassungsmehrheit für den Plan, „gefährliche Asylwerber“ präventiv zu inhaftieren, zu bringen. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wird Kickl die Stimmen ihrer Mandatare vorenthalten. Das erwartet sie auch von Pamela Rendi-Wagner: „Ich warne die SPÖ davor, diese Büchse der Pandora zu öffnen.“ Haft auf Basis einer Gefährlichkeitsprognose rühre an die Grundsäulen des Rechtsstaates: „Das kennen wir von autoritären Staaten.“
Bruno Rossmann, Klubchef der Liste Jetzt, meint, dass eine Debatte wie diese vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Er appelliert an jene Roten, die mit Kickls Vorhaben sympathisieren, es nicht zu unterstützen.
Der designierte burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Vize Hans Peter Doskozil hat ja befunden, dass es „Sicherungshaft“ nicht nur für Asylwerber, sondern auch für Österreicher möglich sein solle. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und der baldige Tiroler SPÖ-Vormann Georg Dornauer pflichten Doskozil bei.
Andere Sozialdemokraten verwahren sich dagegen. Tirols SPÖ-Klubchefin Elisabeth Blanik sagt zur Tiroler Tageszeitung: „Das darf in der SPÖ kein Thema sein, da werden Grenzen überschritten.“ Sie werde das beim Parteitag der Tiroler SPÖ am kommenden Samstag in Innsbruck den Genossen klar sagen. „Hier darf es keine Überlegungen geben oder ein Nachdenken, sondern nur eine klare Ablehnung.“ Diese Botschaft ist auch an Doskozil gerichtet, der in Innsbruck sein wird.
Von einem „No-Go, einer roten Linie, die nicht überschritten werden darf“, spricht auch Julia Herr, SJ-Chefin und Stellvertreterin von Rendi-Wagner im Gespräch mit der TT. „Man kann doch nicht Menschen einsperren, die keine Straftat begangen haben.“ Die SPÖ müsse sich dahingehend „eindeutig positionieren: mit einem Nein zur Einschränkung von Freiheitsrechten. Wenn wir hier mitstimmen, können wir uns nicht mehr ernst nehmen, dann verraten wir die Demokratie. Erst kürzlich haben wir das Gedenken an die Opfer der Februarkämpfe aus dem Jahr 1934 groß begangen. Eine Partei wie die unsere kämpft auf der Seite der Demokratie, sie beschneidet sie nicht“, sagt Herr.
So sieht das auch der Traiskirchner SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler. Wie Herr verweist er via TT auf „eine rote Linie für die Sozialdemokraten. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist das abzulehnen. Da geht es um Grundfesten. Das ist nicht verhandelbar. Wer Sicherheit durch Freiheitsentzug schaffen will, schafft beides ab“, urteilt Babler – und fügt an: „Das war nicht ganz durchdacht von Ludwig und Doskozil. Die SPÖ muss geschlossen gegen dieses Vorhaben der Regierung auftreten.“
Ludwig versucht zu beruhigen. Eine „Sicherungshaft“ könne vor allem dazu dienen, Frauen vor gewalttätigen Partnern zu schützen. „Es ist bedauerlich, dass sich der inhaltliche Diskurs so schnell verlagert.“ Was die Regierung vorschlage, sei eine „andere Sichtweise. „Ich denke, dass uns die Frage der Menschenrechte und der Verfassung so wichtig sein muss, dass wir hier zu keinen Zugeständnissen bereit sind.“
Auch Ex-SPÖ-Geschäftsführer Max Lercher meldet sich zur Causa. Via Facebook. Er kritisiert Rendi-Wagner & Co. – positioniert sich selbst aber nicht: „Die Regierung spielt ein Thema aus – und die SPÖ geht im Hickhack um die vermeintlich bessere Position ordentlich baden.“ Was sich Parteifreunde zum Thema „Sicherungshaft“ über die Medien ausrichteten, „kann niemanden freuen – außer unsere Gegner“. Lercher ortet „alten Streit zwischen dem angeblich rechten und dem angeblich linken Flügel“ der SPÖ, „der uns noch nie weitergebracht hat“. Niemand in der Sozialdemokratie wolle „die Grundrechte abschaffen und grundlos jemanden einsperren. Das hat mit sozialdemokratisch nämlich nichts zu tun. Das ist rechtsextrem. Genauso möchte niemand in der Sozialdemokratie die berechtigten Ängste vieler vor Gewalttaten ignorieren.“